dream on two wheels

Auf Japan`s nördlichster Insel Hokkaido (4.9.17-4.10.17)

Willkommen im Land der aufgehenden Sonne! Japan ist anders aber obwohl hier kaum jemand englisch spricht und viele Sitten und Bräuche zunächst fremd wirken fühlen wir uns in Japan  sofort wohl. Wir fragen uns woran das liegt. Eine Taiwanesische Familie die wir später auf unserer Reise durch Japan treffen bringt es mit einem Satz auf den Punkt: " Japaner sind die Deutschen Asiens".

Nachdem wir in Narita, 70 Kilometer außerhalb von Tokyo, angekommen sind radeln wir zum Fährhafen Oarai und nehmen die 22h Fähre auf Japan`s nördlichste Insel Hokkaido. Auf der Fähre schlafen wir im preisgünstigen Economy Saal. Dort bekommt man eine kleine Matratze, Kopfkissen, Laken und ein Gepäckfach und wir sind ziemlich erleichtert das die Fähre kaum besetzt ist denn die Matratzen liegen Kopf an Kopf und sind auch eher für sagen wir mal "kleine Menschen" gedacht.

Radreisen in Japan ist einfach. Wir können unser Zelt wirklich überall aufstellen. Viele Städte haben zudem kostenlose Campingplätze. Auf Hokkaido hat fast jeder Ort einen angelegten Park oder Spielplatz mit Schutzhütten und Toiletten und nachdem wir das herausgefunden haben steuern wir abends einfach den nächst gelegenen Park an. Japan hat eine große Campingkultur. Vor allem auf Hokkaido treffen wir viele Japaner die in winzigen "Wohnmobilen" ihr Land bereisen. Wir wissen nicht ob Wildzelten in Japan erlaubt ist. Falls es verboten ist toleriert man es zumindest bei uns Ausländern problemlos. Allerdings haben wir uns angewöhnt abends erst zu kochen und das Zelt dann in der Dämmerung aufzubauen und morgens kurz nach Sonnenaufgang wieder abzubauen. Wir wollen möglichst nicht auffallen und stören und Japaner sind in der Tat mehr als früh auf den Beinen und nutzen ihre Parks rege zum morgendlichen Frühsport und Stretching.  

Wenn man in Japan zeltet muss man sich daran gewöhnen das auch schon mal morgens um 5:30  ein Japanisches Rentnerpaar mit Hut, Weißen Handschuhen, Regenschirm und Wanderstöcken am Zelt vorbei marschiert oder auf der Wiese neben einem Golf gespielt wird. 

Manchmal wird dann aus Diskretion so getan als wären wir gar nicht vorhanden, aber wenn wir beim Kaffee trinken angeschaut werden rufen wir immer brav "ohaiyoo osaimas", schönen guten Morgen und ernten damit in der Regel ein wohlwollendes Lächeln.

Überhaupt achtet man hier sehr auf Etikette und Höflichkeit. Zum Gruß senkt man den Kopf. Im Supermarkt wird man ständig und an jeder Ecke von den Mitarbeitern willkommen geheißen. An der Kasse werden die Waren nach dem Scannen super geordnet in einen Korb mit neuer Farbe getan und anschließend für einen zu einem Packtisch getragen. Dann verbeugt sich die Kassiererin vor einem und bedankt sich und es folgt ein Schwall Höflichkeitsfloskeln den wir nicht verstehen. An den Parkplätzen gibt es Uniformierte "Einwinker" die scheinbar von den Supermärkten bezahlt werden. Weiße Handschuhe, Weiße Socken, polierte Lackschuhe und marineblaue Uniform inklusive.

Menschen mit OP-Gesichtsmasken sind hier vollkommen normal. Die Masken kann man in jedem kleinsten Laden kaufen. Wir lernen das die Masken nicht aus Angst sich anzustecken getragen werden sondern aus Respekt anderen gegenüber wenn man verschnupft oder krank ist damit man eben andere nicht ansteckt.

In Japan ist man sauber und ordentlich. Wir haben noch nie eine Person getroffen die unangenehm riecht. Sonnenhut, Sonnenschirm und Sonnenhandschuhe trägt man auch an bewölkten Tagen.

Hokkaido erscheint uns sehr amerikanisch. Obwohl wir manchmal kleine Tempel oder Schreine sehen wirken das Straßenbild und die Orte wenig "japanisch". Das ändert sich zu unserer Überraschung erst auf der Hauptinsel Honshu. Hier sind die Dörfer viel traditioneller angelegt, die Hauser mit den typisch geschwungenen und stufenartigen Dächern versehen und der Buddhismus viel präsenter als auf Hokkaido.

In ganz Japan gibt es alle paar Kilometer einen sogenannten "Conbini". Das sind kleine  Läden die verschiedenen Ketten zugehörig sind und von Snacks, Schreibwaren, Eiscreme bis zur Unterhose, Strumpfhose und Kosmetik alles für den unmittelbaren "Notfall" im Alltag anbieten. Ein bisschen wie bei uns an der Tankstelle nur nicht ganz so überteuert. Einige bieten auch kostenloses WLAN an. Die bekanntesten Ketten sind 7- Eleven, Family Mart und Lawson Station. Egal wo wir diese sehen, der Parkplatz ist immer gut besucht vor allem zur Mittagszeit. Viele Japaner nutzen diese Conbinis nicht nur zum Mittagsessen sondern auch zum Mittagsschlaf. Leider oft bei Laufendem Motor. Dann werden die Schuhe ausgezogen, die Füße aufs Armaturenbrett gelegt und ... man schläft.  

Auch sogenannte "Vending machines", also Getränke- und Zigarettenautomaten, gibt es überall. In Japan kann man auch als Radfahrer nicht verdursten!

In Japan sehen wir auch kaum übergewichtige Menschen. Nachdem wir die Portions- und Verpackungsgrößen im Supermarkt gesehen haben erklärt sich das von ganz alleine. Alles ist winzig und extra verpackt. In der 300g Nudelpackung sind jeweils 100 g Nudeln nochmals extra zu einem Bündel verpackt. Kekse in einer Schachtel sind einzeln verpackt und selbst beim Gemüse bekommt man selten mehr als 3 Karotten, Äpfel oder Zwiebeln in einer Tüte. Meistens werden diese sogar einzeln mit einem Stückpreis verkauft.

Die Lebensmittelkosten in Japan sind etwas höher als in Deutschland aber wenn wir in großen Supermärkten kaufen kommen wir mit unseren täglichen Budget zurecht. Was allerdings teuer ist sind Unterkünfte. Mit einem Zelt durch Japan zu reisen ist also eine gute Wahl und einfach.

Inzwischen haben wir einige wichtige Wörter auf Japanisch gelernt. Englisch wird wirklich nur in den touristischen Städten in z.B. Jugendherbergen gesprochen. Ansonsten ist es für jeden Japanreisenden unabdingbar einige wichtige Wörter wie "Danke, Bitte, Guten Tag, auf Wiedersehen, vielen Dank" zu lernen. Das wird mit großem Wohlwollen und Respekt registriert. Überhaupt hat Deutschland ein extrem hohes Ansehen in Japan. Sobald wir verständlich machen können das wir aus Deutschland kommen verbeugt man sich ehrfürchtig und respektvoll vo uns und komentiert das ganze mit "Ahhh, deutse"! Ohhhh!!!!!". Manchmal ist uns das richtig peinlich.

Wichtige Straßenschilder sind zweisprachig beschrieben, manchmal haben wir keine Ahnung was auf den Schildern steht und Andere sind durch Bilder oder Zeichnungen selbst erklärend...

Wir radeln zunächst Richtung Osten entlang der Südküste Hokkaidos. Das Küsten Leben ist hier noch sehr traditionell. In vielen Dörfern werden Seetang abgebaut, auf großen Kiesflächen zum Trocknen Ausgelegt und dann zu bündeln verarbeitet und verkauft. Der Hauptteil der Küste im Süden ist Steilküste und die Straße mit Hilfe einer endlosen Tunnel Landschaft direkt in die Steilwand gebaut. Einige der Tunnel sind bis zu 5 Kilometer lang.

In der Dämmerung sehen wir häufig Füchse, Wild oder Kraniche. Auf Hokkaido leben auch Schwarz- und Braunbären. Oft sehen wir Warnschilder oder Schilder auf denen vermutlich steht wann zuletzt an diesem Ort ein Bär gesichtet wurde. Wir machen uns nicht mehr ganz so verrückt wie in Alaska und Kanada versuchen und aber trotzdem an die "Regeln" zu halten. Also kein Kochen am Zelt, Keine Nahrung und Kosmetikstoffe im Zelt und unser Bärenspray aus Alaska haben wir auch noch dabei. Hier sehen wir allerdings in den gesamten 4 Wochen nie einen Bär.

Auf Hokkaido gibt es Küste, das Inland mit ausgeprägter Landwirtschaft sowie einige wunderschöne Nationalparks in den Bergen. Während es im Süden Japans noch tropisch warm ist wird auf Hokkaido alles für den anstehenden Winter vorbereitet. Die Ernte ist im vollen Gange, oft sehen wir die Bauern mit ihren Traktoren noch in der Dunkelheit auf den Feldern. Es gibt hauptsächlich Gemüsefelder. Vor allem riesige Zwiebel und Kartoffelfelder aber auch Kohl, Tomaten, Möhren und Reis werden hier in großem Stil angebaut. Es scheint uns als würden die Bauern in Japan für ihre Arbeit auch entsprechend entlohnt werden denn auf den sehr gepflegten Höfen stehen immer modernste Maschinen und Traktoren und vor fast jedem Haus ein neues Auto.

Wer nach Hokkaido kommt macht das in der Regel um die Natur zu sehen und sich in den sogenannten Onsen zu entspannen. Japanische Badehäuser sind ein wichtiger Teil der japanischen Kultur aber dazu später eine genauere Erläuterung!

Der September und Oktober ist prinzipiell neben dem Frühling eine gute Reisezeit für Japan. Japan ist nicht nur berühmt für seine wunderschöne Kirschblüte sondern auch für farbenfrohe herbstliche Wälder und Gärten. Leider ist der Herbst auch Taifun Zeit in Japan und den bekommen wir auf Hokkaido zwei Mal zu spüren. Ein Taifun ist ein starker Wind begleitet von einem heftigen Dauerregen. Beide Male hat der Regen nachts begonnen, dann regnet es für ca. 12 Stunden ohne Unterbrechung in Strömen und dann klart es auf als wäre nie etwas gewesen. Faszinierend, aber im Zelt ohne Schutzhütte ziemlich unangenehm. Beim ersten Mal radeln wir sogar ahnungslos 30 Kilometer, bauen dann  bis auf die Unterhose nass verzweifelt unser Zelt neben einem Friedhof auf und verkriechen uns bis zum nächsten Morgen. Beim zweiten Taifun sind wir auf einem Campingplatz und wollen eigentlich am nächsten Tag weiter fahren aber die Besitzerin warnt uns vor dem Taifun und wir bleiben auf dem Camping. Den Sturm sitzen wir hauptsächlich im geräumigen Toilettenhaus aus.

Toiletten sind ein sehr interessantes Thema in Japan. Selbst auf den Park- und Rastplätzen findet man so gut wie immer perfekt  ausgestattete Toilettenhäuser oft mit "High Tech Toiletten". Diese haben jede Menge Knöpfe und Funktionen. Natürlich eine beheizte Brille, Bidet Sprühreinigung inklusive Trockenfunktion und automatische Spülung. Der lustigste Knopf ist allerdings der "Privat-Modus". Dann ertönt je nach Toiletten-Typ Musik oder ein aufgenommenes Spülgeräusch.

Einmal übernachten wir sogar im strömenden Regen und "Bärengebiet" in den Bergen in einer geräumigen Toilette. Na ja, nicht die beste Nacht, irgendwie ist es ja trotzdem immerhin noch eine Toilette und obwohl wir den Boden mit unseren Folien und Tarp bedecken fühlt man sich nicht super wohl. Als Dauercampinglösung ganz sicher nicht zu empfehlen...!

In Japan betritt man niemals ein Haus mit Schuhen, auch in den meisten öffentlichen Einrichtungen nicht. In der Regel gibt es im Eingangsbereich eine Stufe oder einen Wechsel auf Teppichboden der anzeigt das man sich dort die Schuhe auszieht. Dann stellt man die Schuhe in ein Regal, Schließfach oder an den Rand und schlüpft in die bereit gestellten Pantoffeln. Geht man auf die Toilette wird vor dem Betreten des Bads nochmals in Toilettenpantoffeln gewechselt.

Wie oben schon angemerkt gibt es in Japan eine tief verwurzelte Badekultur. In fast jedem Dorf aber sicher in jeder Stadt gibt es mehrere "Sento`s" bzw. "Onsen". Das sind traditionelle japanische Badehäuser. Die Bandbreite reicht hierbei von simpler Ausstattung und "selber Seife mitbringen" bis hin zum Luxus- Onsen mit sämtlichen Kosmetikartikeln vor Ort, mehreren Becken, Außenbereich und Sauna. Dennoch kosten auch die gehobeneren Onsen selten mehr als umgerechnet 4-5 Euro.  Man sollte sich als Japanreisender auf gar keinen Fall, aus Sorge etwas falsch zu machen, scheuen die Badehäuser zu besuchen denn dann verpasst man einen großartigen Teil japanischer Tradition!

Es kann allerdings nicht schaden sich vorher eine "Anleitung" im Internet durchzulesen. Es gibt auch tolle Videos mit Einblicke in die Japanische Badewelt so das man nicht ganz unvorbereitet ist.

Fast alle Onsen in Japan sind Geschlechter getrennt. Gebadet wird ausschließlich nackt. Vom Prinzip sind alle Onsen gleich aufgebaut. Zunächst betritt man ohne Schuhe den Frauen oder Männer Vorraum  durch einen roten bzw. blauen Vorhang. Der Raum ist gut klimatisiert und meist stehen dort auch mehrere Ventilatoren.

Hier findet man entweder Schließfächer oder Körbe. Mann zieht sich komplett aus. Die Sachen werden im Korb verstaut und mit dem Handtuch abgedeckt. Ins Bad nimmt man nur ein "Waschhandtuch" und seine persönlichen Kosmetikprodukte mit. Dann betritt man nackt den Baderaum. Dort sind entlang der Wände niedrige Duschen angebracht. Oft stehen Waschschüssel und Hocker schon davor, ansonsten nimmt man sich diese beim Betreten vom Stapel.

Der Waschocker wird abgewaschen und dann setzt man sich und schrubbt sich von oben bis untern mit seinem Lappen mit Seife ein. Und ich meine wirklich "SCHRUBBEN". Ich habe in meinem Leben noch niemals Menschen sich so  fleißig, manchmal fast schon verbissen abschrubben sehen wie in den japanischen Onsen.

Das ganze dauert schon mal 20 bis 30 Minuten. Dann spült man sich ab, bindet die Haare hoch, wischt das überschüssige Wasser mit dem Lappen ab und DANN erst geht man blitzeblank sauber in die heißen Becken zum Entspannen. Das Waschhandtuch wird dort meist auf dem Kopf platziert. Niemals ins Beckenwasser genommen. Kopf und Haare werden ebenfalls nicht untergetaucht. Hat man fertig entspannt duscht man sich nochmals kurz ab, reinigt seinen Hocker und Duschbereich mit Wasser und trocknet sich mit dem Waschhandtuch ein wenig ab. Im Vorraum zieht man sich wieder an, meistens gibt es Cremes, Haartrockner, Bürsten und Pflegeprodukte so das man eigentlich nur sein Handtuch mitbringen muss. In vielen Onsen gibt es dann draußen noch einen Ruhebereich mit Sitzgelegenheiten, Massagestühlen und Getränkeautomaten.

Hört sich kompliziert an ist es aber überhaupt nicht und nach einem langen harten Radtag die beste Medizin!

Die nachfolgenden Bilder sind sicher eines der einfachsten Onsen in dem wir bis her waren. Aber Fotos kann man eben nur machen wenn man alleine ist. Daher leider keine Bilder für Euch von den herrlichen und super schönen Onsen die in der Mehrheit überwiegen.

Im Norden der Insel ist es schon wunderschön herbstlich. Wir fahren durch einen fantastischen Nationalpark. Kurz unterhalb des Passes liegt der Kur und Wanderort Sounkyo. Auch hier natürlich Onsen in den tollsten Ausstattungen und dazu noch traumhafte Herbsfarben....

Die Menschen auf Hokkaido sind sehr scheu aber trotzdem gibt es immer wieder schöne Begegnungen. Oft unterhalten wir uns dann in einer Art Zeichensprache, einigen Worten Englisch und Japanisch. Auf einem Supermarktparkplatz spricht uns dieser (allerdings gut englisch sprechende) Japaner an. Er macht ein Video Projekt. Er spricht Touristen an die für ihn Ihre Reise mit japanischer Tinte zeichnen sollen. Das ganze wird fotografiert und gefilmt und dann irgendwann ausgestellt.

Die Region Biei ist berühmt für ihre Blumenfarmen. Leider haben die meisten nur bis August geöffnet aber in der örtlichen Touristeninformation erklärt man uns den Weg zur letzten noch geöffneten Farm. Ein unglaublicher Anblick!

Diesen Japaner treffen wir in den Bergen auf einem Campingplatz. Wir sind mit ihm die einzigen und es ist regnerisch und kalt. Wir sitzen den Regentag im Zelt aus bzw. laufen die paar hundert Meter zum nahegelegenen Badehaus. Am Morgen kommt er zu uns mit einer Tüte voller Essen und Süßigkeiten. Er mache sich Sorgen ob wir genug zu Essen hätten denn der kleine Laden im Dorf habe heute geschlossen...!!!

Nach 4 Wochen wird es uns zu ungemütlich auf Hokkaido. Es ist kalt und es regnet fast jeden Tag. Wir beschließen die Fähre in den Süden der Hauptinsel Honshu zu nehmen um bei etwas milderen Temperaturen weiter zu radeln. Wir wollen zunächst nach  Hiroshima und von dort über einen "Brückenradweg" auf die Insel Shikoku.

Am Fährhafen werden wir ein letztes Mal in "Allen Farben" mit einem gigantischen Regenbogen von Hokkaido verabschiedet. Die 22 h Fährfahrt wird uns weit in den Süden Japans in den Ort Maizuru in der Präfektur Kyoto bringen und wir freuen uns schon eine neue Insel per Fahrrad zu erkunden.