dream on two wheels

Von Leon über Granada zur Grenze nach Costa Rica (4.6.-9.6.16)

Als wir am Nachmittag in Leon ankommen checken wir im Blue Hat Hostel ein. Auch hier „schenkt“ man uns, genau so wie in El Salvador, überraschender Weise eine Übernachtung. Da sagen wir nicht nein. Das Hostel ist ein schönes Gebäude mit knarzendem Dielenfußboden. Überall stehen Schaukelstühle herum die zum relaxen einladen. In der Nacht beginnt es in Strömen zu regnen. Die Entscheidung fällt leicht...wir bleiben noch für einen Pausentag und erkunden ein wenig die Stadt. Wir freuen uns über die Gemeinschaftsküche. Es ist schön mal nicht auf dem Boden kochen zu müssen und mehrere Herdplatten zur Verfügung zu haben. Nach 10 Monaten Radreise kommen uns inzwischen die kleinsten Dinge luxuriös vor. Eine warme Dusche, ein Bett, saubere Kleidung oder zum Essen an einem Tisch sitzen zu können. Es sind die vermeintlich selbstverständlichen Dinge des Alltags über die man sich normalerweise keine Gedanken macht die man auf so einer Reise zu schätzen lernt.

Nach dem Frühstück wollen wir Leon erkunden. Leon und Granada sollen die beiden schönsten Städte Nicaraguas sein weil hier nur wenig Schäden durch Erdbeben entstanden sind. Wir können Leon dennoch nicht so wirklich viel abgewinnen. Die Innenstadt besteht aus zwei Blöcken an denen sich Cafés, Hostals und Restaurants in denen alles für „Backpacker“ abgestimmt ist angesiedelt haben. Der zentrale Marktplatz mit der großen Kirche wirkt ein bisschen trostlos. An vielen Fassaden bröckelt es ganz schön und auch hier ist irgendwie allgegenwärtig das Nicaragua eines der ärmsten Länder Zentralamerikas ist. Wir beobachten einen jungen Mann der die Mülleimer durchsucht und sich hungrig die gefundenen Essensreste in den Mund stopft, obdachlose Menschen schlafen auf einigen Bänken und sobald wir uns vom Marktplatz entfernen fühlen wir uns mehr als unwohl. Zumindest hat es aufgehört zu regnen und daher radeln wir am nächsten Morgen früh los. Die Hitze Zentralamerikas ist zurück und ehe wir uns versehen kleben die Klamotten wieder klatschnass am Körper. Die Landstraße die uns Richtung Managua bringt ist herrlich ruhig. Überraschender Weise radeln wir in Nicaragua die gesamte Zeit auf dem besten Asphalt den wir je auf unserer Reise hatten und der Verkehr hält sich wirklich in Grenzen. Hier zeigt sich das Ausmaß der Armut und ich muss des Öfteren schlucken beim Anblick der Häuser in denen viele der Menschen hier wohnen. Oft handelt es sich im Grunde nur um einfach zusammengeschusterte Wellblechhütten die man in Deutschland wenn man ehrlich ist nicht mal als Schuppen gebrauchen würde.

Die Landschaft ist saftig grün, es ist zur Abwechslung angenehm flach und entlang des Weges kommen wir an vielen kleinen Familienbetrieben vorbei in denen Tonziegel hergestellt und gebrannt werden. Vom Dachziegel, Mauerstein oder flachen Platte alles ist dabei und wird zum Verkauf vor den Hütten ausgestellt.

Brick Factory

Nach 83 Km erreichen wir die kleine Stadt „Ciudad Sandino“ nur noch 10 Km südlich von Managua. An Nicaraguas Hauptstadt kommen wir leider nicht dran vorbei aber am Abend wollen wir schon garn nicht durchfahren. Wir beschließen uns eine Unterkunft hier zu suchen. Direkt an der Hauptstraße entdecken wir durch Zufall eine große Feuerwehrstation. Wir hoffen das man uns hier zelten lässt und wie sich herausstellt sind die Bomberos in Nicaragua genau so hilfsbereit wie immer und wir können unser Zelt im Gemeinschaftsraum aufstellen. Am frühen Abend wollen wir Wasser kaufen gehen. Ich frage einen der Feuerwehrmänner nach einem Geschäft. Er deutet schräg über die Straße und wir marschieren los. Ich drehe mich noch einmal um und bemerke das der Feuerwehrmann uns die ganze Zeit beobachtet. Mh na ja ist grad nicht zu löschen denke ich. An dem Lädchen ist Wasser „ausverkauft“. Wir werden einen Block weiter geschickt. Der Feurwehrmann guckt uns immer noch nach. Radko sagt er fände den Ort irgendwie komisch könne es aber nicht erklären. Ich sage, na ja vielleicht müssen wir uns erst an den Anblick dieser Armut ein bisschen „gewöhnen“, das wird schon nicht so schlimm hier sein wie es aussieht. An dem kleinen Laden guckt uns eine junge Frau freundlich durch ein winziges Fenster im Gitter an. Die gesamte Ladentheke ist „innen“ vergittert und dann noch einmal das komplette Haus. Nachdem wir Wasser gekauft haben rät uns die Frau das wir auf gar keinen Fall im Dunkeln auf die Straße gehen sollen denn es sei extrem gefährlich in dieser Stadt nach Einbruch der Dunkelheit. Ich muss schlucken, da stimmte Radko`s Bauchgefühl mal zu 100 Prozent und ich erkläre das wir bei der Feuerwehr übernachten würden. Das sei gut und sicher ist die Antwort und wir trotten mit einem etwas mulmigen Gefühl zurück zur Feuerwache. Hier steht immer noch der nette Feuerwehrmann und wartet auf uns und jetzt weis ich auch warum...

Bomberos in Cuidad Sandino

Am Folgemorgen fahren wir die letzten 10 Km nach Managua. Obwohl Managua die Hauptstadt ist fahren wir fast am Ortseingangsschild vorbei. Außer das noch mehr zerfallene Häuser und Blech- oder Holzhütten am Straßenrand stehen und der Verkehr stark zugenommen hat weißt erst einmal nichts darauf hin das wir uns in einer Hauptstadt befinden. Managua ist ziemlich hüglig und wir schnaufen uns Hügel um Hügel durch die Stadt. An einer Tankstelle machen wir nochmal Rast aber dann haben wir es geschafft und radeln wieder auf der Landstraße Richtung Granada. Nach ca. 30 Km sehen wir das Eingangstor zum Nationalpark des Vulkan Masaya. Öhm, nö noch nie vorher gehört...macht nichts wir fragen mal nach. Der Masaya ist einer der aktivsten Vulkane des gesamten Kontinents erzählen uns die Parkranger am Eingang stolz und seit 4 Monaten gäbe es wieder einen Lavafluß im Krater. Es sei Spektakulär. Okay, das wollen wir auch sehen! Man dürfe aber nur mit dem Auto oder dem Bus zum Kraterrand fahren, alles andere sei zu gefährlich für den Fall das es einen Ausbruch gäbe und man sich schnell entfernen muss. Aber wir könnten zum Besucherzentrum radeln und von dort den Bus für die 6 Kilometer zum Krater nehmen. Der Aufenthalt am Krater ist wegen der Dämpfe auf 15 Minuten limitiert. Das ganze kostet umgerechnet 7 Euro pro Person, Bustransfer inklusive. Es ist noch früh genug das wir im Anschluss entspannt die 30 Km weiter nach Granada fahren können, also auf geht’s zum Vulkan!

Wir sitzen alleine im Minibus. Unsere Räder können wir sicher beaufsichtigt am Besucherzentrum lassen. Der nette Busfahrer fragt uns ob wir schon einmal einen aktiven Vulkan gesehen hätten und wir verneinen. Er lacht und verspricht uns das es uns die Sprache verschlagen wird. Sechs Kilometer winden wir uns die Straße nach oben und dann parken wir kurz vorm Kraterrand aus dem bereits vom Weiten eine riesige aufsteigende Wolke zu erkennen ist. Das Auto wird rückwärts eingeparkt, also in Fahrtrichtung, für den Fall das es ganz schnell gehen muss. Wir hoffen mal das der Vulkan die nächsten 15 Minuten nicht ausbrechen wird. Wir laufen die wenigen Meter zum Kraterrand und verstummen andächtig. Vor uns liegt ein gigantisches Loch im Boden in dessen Zentrum, tief unten ein gewaltiger glühender Lavastrom fließt. Ein Hauch von Schwefel liegt in der Luft und ein dumpfes tiefes Grollen steigt aus dem Inneren des Kraters zu uns hinauf. Masaya, unser absolutes Nicaragua Highlight!

Die 15 Minuten sind leider viel zu schnell vorbei, wir hätten noch Stunden lang in diesen brodelnden glühenden Lavasee starren können. Am Besucherzentrum und Museum lernen wir im Anschluss alles über die Region und Nicaraguas Vulkane. In Nicaragua steht ca. alle 25 Km ein Vulcan und entlang des amerikanischen Kontinent radeln wir natürlich auf dem sogenannten „Ring of Fire“. Mir läuft es kalt über den Rücken als ich lese das am Masaya in früheren Zeiten auch Menschenopfer vollbracht wurden um die Götter zu besänftigen...eine grausame Vorstellung!

Welcome to the Volcano Masaya

Crater Masaya Volcano

Crater Masaya  Volcano

Gegen späten Nachmittag erreichen wir Granada, für uns eindeutig die schönste Stadt Nicaraguas. Das Zentrum strahlt regelrecht vor kolonialem Charme und wir radeln entlang der geschäftigen Hauptstraße Richtung Markthalle. An einem der prunkvollen Gebäude gegenüber der Markthalle steht „Hospedaje“. Das wäre ja mal eine Übernachtung mit Stil...da fragen wir doch mal nach. 6 Euro pro Person, das ist okay und schon schieben wir unsere Räder in den „Palast“. In der Empfangshalle steht eine alte Musikbox, Schaukelstühle, eine Vitrine mit Porzellan und noch viele andere Kuriositäten. Die Besitzerin erklärt uns stolz das das Haus früher dem Ex-Präsidenten von Honduras gehört habe. Die Zimmer sind schlicht, bunt bemalt und sauber und vom Balkon aus können wir direkt auf den Markt gucken. Wir schlendern durch die Innenstadt, bestaunen die bunten Pferdekutschen die für eine Rundfahrt durch die Stadt einladend bereitstehen und mit der Reklame der örtlichen Mobilfunkanbieter geschmückt sind. Wir besuchen die große Kirche und essen zur Abkühlung ein Eis. Am Abend sitzen wir auf der Terrasse unserer Hospedaje und beobachten wie am Horizont in Sekundenabständen die Blitze eines Sommergewitters am Himmel zucken. Wow!

Granada

Our "Hospedaje" in Granada

Church in Granada

Unsere Weiterfahrt bringt uns in den kleinen Ort Sant Jorge am großen See dem „Lago de Nicaragua“. Von hier aus haben wir einen tollen Blick auf die gegenüberliegende Insel „Isla Ometepe“ mit ihren beiden Vulkanen. Hier verbringen wir unsere letzte Nacht in Nicaragua. Obwohl wir nur wenige Tage in dem Land verbracht haben sind uns das Land und die zurückhaltenden aber freundlichen „Nicas“ ans Herz gewachsen. Wie auch in Guatemala haben wir uns in Nicaragua das eine oder andere Mal in der Zeit zurück versetz gefühlt wenn uns die schwer beladenen Ochsen- oder Pferdegespanne auf der Straße entgegenkamen. Unser Winken oder lachen wurde ausnahmslos erwidert und wir drücken Nicaragua ganz fest die Daumen für die Zukunft!

on the way to the border of Costa Rica

we love roads in Nicaragua...