dream on two wheels

Von der Tatacoa Wüste nach San Augustin (27.8.-3.9.16)

Die Welt zu Gast bei Freunden

Wenn es ein Land gibt in dem das Motto der Fußball WM von 2010 "Die Welt zu Gast bei Freunden" hundert prozentig zutrifft dann ist es Kolumbien, denn hier wird Gastfreundschaft gelebt. Es ist das Radfahrer El Dorado schlecht hin. Hier macht Radfahren nicht nur wegen der fantastischen Natur Spaß, sondern wird auch auf höchstem Niveau respektiert. In Kolumbien ist Radsport fast schon ein Nationalsport und wird mit Leidenschaft betrieben. Vor allem an den Wochenenden treffen wir immer wieder auf größere Gruppen Rennradfahrer die uns fleißig anfeuern und zuwinken. Auch aus den Autos heraus gehen immer wieder die Fenster runter. Es gibt Daumen hoch, man fährt langsam neben uns um herauszufinden wo wir herkommen und wo wir hin radeln, und häufig reicht man uns eine kleine Stärkung in Form von Snacks oder Soda. Kurz nachdem wir die Tatacoa Wüste verlassen haben und wir uns an einer Bäckerei stärken stoppt ein Auto neben uns. Man reicht uns zwei riesige in Bananenblätter gewickelte Tamales (Bälle aus Reis, Fleisch und Gemüse) sowie eine  Flasche Cola, winkt und fährt mit besten Wünschen für unsere Reise weiter. Ein anderes Mal hält ein Motorradfahrer, der in einem riesigen Plastiksack Snacktütchen transportiert, an und reicht uns lächelnd eine riesige Tüte mit Chips. Die nette Familie die am Wegesrand frisch pürierte Traubensäfte für umgerechnet 25 Cent verkauft schenkt uns nach der leckeren Vitaminspritze gleich noch eine ganze Tüte Trauben "für später". Das sind nur einige der vielen vermeintlich "kleinen" für uns aber "großen" Aufmerksamkeiten die man hier mit einer Selbstverständlichkeit an den Tag legt die uns nicht nur dankbar sondern auch demütig macht. Denn eines darf nicht vergessen werden. Die meisten Menschen hier leben in sehr einfachen und überschaubaren Verhältnissen und um so beeindruckender empfinden wir die Geschenke. Wenn wir darüber nachdenken welche Geste in Deutschland vergleichbar wäre dann würde es manchmal einer Einladung eines Fremden in ein Restaurant gleichkommen. Noch bemerkenswerter ist, das es uns oft so vorkommt, das diejenigen die am wenigsten besitzen auch noch am meisten geben. So frage ich mich als ich die riesige Tüte betrachte, in der ungefähr 10 kleine Tüten Chips sind, wie lange der nette Mann wohl hierfür Chips verkaufen muss um dieses Geschenk wieder "reinzuholen". Ich kann nur sagen, wir haben die leckeren Knabbereien mit viel Bedacht und Genuss verspeist!

Wir nähern uns wieder dem Fluss Magdalena. Unser Ziel ist die geheimnisvolle Ruinenanlage in San Augustin. Nachdem die Route südlich der Stadt Neiva nicht viel zu bieten hatte windet sich die Straße jetzt zunehmend entlang des Flusses mit herrlichen Blicken auf den Stausee und das Tal. An einer Kurve machen wir spontan halt. Am Wegesrand steht eine Ziege in einem Käfig. Das wollen wir genauer wissen. Ich erinnere mich an einen Tipp über eine "Ziegenzapfstation" aus unserem Radreiseführer. "Darf man nicht verpassen". Wir sind neugierig. 2000 Pesos mit Erdbeergeschmack und 3000 Pesos für die "Sonderkur". Ich beäuge skeptisch die Dose der besagten Kur und frage was das sei. Ja also, das wäre besonders für Männer zu empfehlen. Gut für "jegliche Kraft". Wir entscheiden uns dann doch für den Erdbeergeschmack der sicherlich für beide Geschlechter gut verträglich ist. Es werde also ein gehäufter Löffel Erdbeerpulver in einen Plastikbecher gegeben, man gehe zur Ziege, die die Melkprozedur gleichmütig über sich ergehen lässt, und schon steht ein lauwarmer schaumiger Ziegenmilcherdbeermilchshake vor uns. Ich erwarte den typischen Geschmack von Ziegenkäse aber überraschender Weise schmeckt die Milch ähnlich der einer Kuh nur viel leichter. Extrem lecker! Wir wollen wissen welche Mengen eine Ziege pro Tag abgibt. Ungefähr drei Liter lautet die Antwort und er habe von insgesamt 15 Ziegen noch 4 weitere die sich für die "Milchbar" eignen. Gestärkt radeln wir weiter. Meine Sorge einer abführenden Wirkung bestätigt sich zum Glück nicht und nach wenigen Kilometern stoppen wir bereits erneut denn wir entdecken gleichgesinnten Gegenverkehr. Wir schieben auf die andere Seite und werden mit einer herzlichen Umarmung von Viviane aus Brasilien begrüßt. Viviane ist alleine mit dem Rad unterwegs. Das momentane Ziel heißt Mexiko denn für die USA und Canada werde sie wahrscheinlich kein Visum bekommen. Auch das ist etwas was uns auf der Reise immer wieder bewusst wird. Mit einem deutschen Pass haben wir absolute Narrenfreiheit. Es gibt kaum ein Land auf der Welt welches wir nicht bereisen können. Andere Nationalitäten haben es da deutlich schwieriger. Nicht immer geht der Traum einer Route in Erfüllung, auch nicht wenn die finanziellen Mittel vorhanden sind, wenn der Pass die "falsche Farbe" hat. Die Begegnung mit der lustigen und lebensfrohen Brasilianerin ist eine absolute Bereicherung. Nahezu eine Stunde hocken wir auf dem Seitenstreifen und geben uns gegenseitig Empfehlungen für Routen, Orte, ruhige Straßen und Unterkünfte. Wir markieren uns Vivi`s Reiseroute durch Peru auf unserer Karte und notieren Sehenswertes. Vivi will im Gegenzug alles über unsere Route durch den Nationalpark und die Wüste erfahren. Kurz später gesellen sich zwei Polizisten zu uns, fragen ob wir Hilfe bräuchten und wollen dann auch noch einiges über unsere Reisen erfahren.

Kurz nach dem wir uns von Vivi verabschiedet haben treffen wir auch schon  die nächsten Tourenfahrer. Es ist komisch. manchmal sehen wir wochenlang nicht einen einzigen Radreisenden und dann gleich zwei Mal an einem Tag!  Als wir unter einem schattigen Baum Mittagspause machen gesellen sich Joaquin und Jaqueline aus Argentinien zu uns. Die beiden bereisen ganz Südamerika. Über Brasilien und die berüchtigte "Transamazonica" sind sie nach Venezuela und Kolumbien geradelt und sind nun ebenso wie wir auf dem Weg nach Süden. Wir übernachten spontan zusammen in der Feuerwache des nächsten Ortes. Wir im Zelt, das Paar in ihren Hängematten. Finanziert wird die Reise durch hübsche Armbänder die die beiden an Ruhetagen herstellen. Seitdem sie eine Lötstift gekauft hätten boome das Geschäft so richtig. In kleine Bambusschildchen werden Namen, Orte oder kleine Fahrräder graviert und in die bunten Armbänder eingebunden. Wir bekommen jeder eines als Erinnerung geschenkt!

Am nächsten Tag radeln wir weiter in den Ort San Augustin. Bei mir läuft es nicht besonders gut. Die Straße wird immer hügliger und ist ein ständiges Auf- und Ab. Meine Motivation ist am Boden. Der letzte Anstieg von 5 Kilometern wird zur absoluten Qual. Ich bin einfach platt und brauche ein paar Pausentage. In solchen Situationen ist es besonders schön zu zweit zu sein denn selten sind beide gleichzeitig "am Ende" und einer kann dann motivieren. In der Regel kommt es aber eher selten vor das ich motivieren muss und Radko hat sich nach 13 Monaten Radreise ein gewisses Motivations-Repertoire angeeignet. Er bemerkt zügig das hier mit Worten nicht mehr viel auszurichten ist und schnappt sich spontan für die letzten 2 Kilometer meine Vorderradtaschen. Radko mein Held...!!!

In San Augustin folgen wir Vivianes Tipp und zelten bei einer total liebenswerten Familie auf dem Parkplatz ihres Hotels. Das ganze kostet umgerechnet nur 2 Euro pro Nacht. Der Familienvater von drei Kindern ist absolut radsportbegeistert und viele Radfahrer hätten hier schon gezeltet. Als er irgendwann damit angefangen habe hätte sich das einfach zwischen den Tourenradlern herumgesprochen und man helfe gerne.  Die Benutzung der Außenküche, Bad und Dusche ist im Übrigen inbegriffen und neben unserem Zelt dürfen wir es  uns am Esstisch bequem machen. Was für ein Luxus!

Magdalena River, Magdalena Fluss zwischen Neiva und San Augustin

Milk Bar!

fresh goat strawberry Milkshake

frisches Ziegenmilch-Erdbeermilkshake

fresh Grape smoothie! Thank you for the extra bag of Grapes! Nach frisch püriertem Traubensaft eine Tüte Trauben als Geschenk für den Weg! 

This Kind man gave us a big bag of Snacks, dieser nette Mann hat uns eine riesige Tüte Snacks geschenkt

we cross ways with viviane from Brasil, wir kreuzen Weg mit Viviane aus Brasilen :-)

the Police stops too :-), die Polizei hält auch an und fragt ob wir Hilfe bräuchten

chatting with the Police. ein Plausch mit der Polizei auf dem Radstreifen 

exchange of routes, tips and stories at the side of the road, Wir tauschen wertvolle Informationen über Routen, Tipps und Reisegeschichten aus.

passing coffee plantations, auch hier kommen wir an Kaffee Plantagen vorbei

Joaquin and Jaqueline from Argentina

parking lane at the super market, Parkplatz am Supermarkt

Camping at a parking lot of a Hotel, Übernachtung auf dem Parkplatz eines Hotels in San Augustin

our Little friend Sarai at the hotel, unsere Freundin Sarai am Hotel

Geheimnissvolle Stadt am Rio Magdalena

Eine Reise über den amerikanischen Kontinent ist auch gleichzeitig eine Zeitreise durch das Reich der Maya, Azteken und Inka. Nach den beeindruckenden Ruinenanlagen von Mexiko und Guatemala gibt es eigentlich kaum noch eine Krönung. Als einzige berühmte Anlage bleibt sicherlich nur noch Machu Picchu, die wohl bekannteste Inkastadt der Welt. Wer oder was um alles in der Welt ist also "San Augustin"? In einem Artikel der Süddeutsch wird sie als "geheimnisvollste aller präkolumbianischen Kulturen in den beiden Amerikas" beschrieben. Wir selber haben im Grunde nur durch Zufall von dieser sagenumwobenen Ausgrabungsstätte gehört aber unserer Neugier wurde sofort geweckt!

We are near Pitalito in San Augustin, Wir sind in der Nähe von Pitalito in San Augustin

Wir machen uns auf in den archäologischen Park um dem Rätsel ein wenig näher zu kommen. Im Museum am Eingang der Anlage erfahren wir einiges über deren Entdeckung. Da die Region hier am Rio Magdalena in früheren Zeiten extrem schwer zugänglich war  habe die Außenwelt erst Mitte des 19. Jahrhundert von den rätselhaften steinernen Statuen erfahren. Seitdem hätten viele Wissenschaftler versucht das Mysterium dieser unbekannten Kultur und der Statuen zu lösen aber bislang ohne Erfolg. Als sich im 18. Jahrhundert ein Franziskaner Mönch in die Region aufmachte glaubte er sogar die wunderlichen Statuen müssten vom Teufel erschaffen worden sein, denn die ansässigen Indianer wiesen kein Werkzeug auf mit dessen Hilfe man solche präzisen Figuren hätte erschaffen können.

Bis heute weis man durch Laboranalysen lediglich das die Kultur vor ungefähr 2000 Jahren dort lebte aber es ist immer noch völlig unklar wer diese Menschen waren, und was sie mir den Statuen vor den Grabkammern bezweckten. Aktuell wird die Kultur nach dem Ort "San Augustin" benannt aber die wunderlichen Statuen mit den teils Tier- teils menschlichen Elementen werfen nach wie vor Rätsel auf. Waren die Statuen vor den Gräbern zur Bewachung der Toten, oder gar zur Bewachung der Lebenden vor den Toten platziert? Man weis es nicht! Einige der Statuen weisen Fangzähne auf und erinnern uns an Bilder die wir aus Vampir- oder Horrorgeschichten kennen und es gibt wohl nichts Vergleichbares bei den Mayas, Inkas oder Azteken.

San Augustin ist ein "leiser" aber eindrücklicher Ort. Hier werden wir weder von örtlichen Führern noch von Souvenierhändlern, wie wir es aus anderen Anlagen kennen, bedrängt und überhaupt sind außer uns kaum noch andere Touristen vor Ort. Wir schlendern die nächsten 4 h durch die riesige Anlage und werden vollkommen in den Bann dieser geheimnisvollen Statuen gesogen.

Wer waren diese Menschen, fragen wir uns. Warum sind sie plötzlich vom Erdboden verschwunden? Warum und vor allem wie haben sie diese wundersamen Figuren erschaffen? Das Rätsel wird vielleicht nie gelöst werden, denn als man Knochenfundstücke mittels Genanalyse mit der lokalen Bevölkerung vergleichen wollte scheiterte das Vorhaben. Die wenigen Knochen-Fundstücke hatten sich bei Kontakt mit Sauerstoff aufgelöst.

Es bleiben Spekulation und Vermutungen. Wie herrlich einen Ort zu besuchen der selbst der modernsten Welt ein vollkommendes Rätsel aufwirft...und wer weis...vielleicht sogar für immer!

P.S. Für alle die mehr über diesen fantastischen Ort erfahren möchten: Terra X Folge 39 anschauen!

The archeological site of San Augustin today, Eingangsbereich der Ausgrabungsanlage von San Augustin heute

lokal family with findings of San Augustin in earlier Times, ortsansässige Familie mit einem Fundstück in der Vergangenheit

in earlier times the findings were used as decorations in the village, früher wurden die Fundstücke als Dekoration im Dorf aufgestellt

Von San Augustin nach Mocoa (4.9.-10.9.16)

Wo die Anden auf den Amazonas treffen

Unsere Route führt uns weiter in den Bundesstaat Putumayo und dessen Landeshauptstadt Mocoa. Von Mocoa aus bieten sich uns zwei Optionen um an die Grenze nach Equador zu gelangen. Entweder durch das Amazonasgebiet zum Grenzort La Hormiga oder über die berühmte Strasse "Trampolin de la Muerte" zurück nach Pasto auf die Panamericana. Wir haben uns für die zweite Variante entschieden und verlassen die Anden für einen kurzen Augenblick in das angrenzende Amazonastiefland. Bevor wir zum Abenteuer "Trampolin des Todes" aufbrechen, wollen wir Mocoas Umgebung einen näheren Besuch abstatten denn hier gibt es einige schöne, noch relativ untouristische Orte zu besuchen.

Die Route von San Augustin nach Mocoa macht es uns nicht leicht. Trotz der 1000 Meter die wir an Höhe verlieren müssen wir zwischen Bruselas und San Juan über einen kleinen Pass. Es regnet nahezu drei volle Tage ununterbrochen und die Motivation weiter zu radeln wird mit jedem Tag weniger. Am Abend pellen wir uns aus den nassen Klamotten um diese am nächsten Morgen wieder nass anzuziehen. Die Temperatur macht die Wahl schwierig. Es ist nicht warm genug um einfach ohne Regensachen zu fahren aber unter den Regenanzügen schwitzen wir ziemlich stark und irgendwann nach 8 h Dauerregen kapituliert eben auch die beste Regenjacke. Trotzdem gibt die Landschaft einiges her. Immer wieder haben wir tolle Blicke in die Täler. Auf dem kleinen Pass begrüßt uns mit Begeisterung die vor Ort stationierte Soldaten-Truppe. Hier werden Routinekontrolle der vorbeikommenden Autos und LKWs gemacht und man passe auf den nahegelegenen Telefonmast auf. Auf unserem Weg durch Kolumbien haben wir schon oft diese festen Straßen Kontrollen passiert und immer werden wir angehalten, wir haben den Eindruck aus purer Langeweile und Neugier. Wir sind sicher nicht die Zielgruppe der Durchsuchung denn auf die Frage was gesucht werde lautet die Antwort hauptsächlich nach Kokain oder illegalen Flüchtlingen.

Wo wir her kämen, wo es hin ginge, wie uns Kolumbien gefalle? In Anbetracht der Gipfellage ist diesmal die Frage von höchstem Interesse "Was wiegen Eure Räder eigentlich?" Tja, das wissen wir auch nur ungefähr denn das Gewicht variiert stark nach Route, sprich nach Menge des Proviants. Ich sage sie könnten die Räder doch einfach mal hoch heben dann wüsten sie es. Mein Rad wird als erstes hochgehievt und man verzieht überrascht das Gesicht. Was? Mensch, damit könne man doch keinen Berg hoch,  sagt der eine. Das sei doch, "muy pesado" also  "voll schwer". Ich zucke mit den Schultern und sage grinsend er könne ja mal versuchen Radkos Rad  hoch zu heben. Okay, also zweiter Versuch. Anheben geht nicht! Dios mio (mein Gott), desde Alaska (von Alaska)? Asi (so)? Hasta Argentina (bis nach Argentinien)? Felizidades (Herzlichen Glückwunsch)!

great view of the nearby valley near San Augustin, schöner Ausblick in das nahegelegene Tal Nähe San Augustin

Coffe with cheese to get warm again in the rain, Kaffee mit Käse zum Aufwärmen im Dauerregen

How heavy are your bicycles? Wie schwer sind Eure Räder?

Bye Bye, nice to meet you, Tschüss, nett Euch getroffen zu haben

Rain, rain, rain between San Augustin and Mocoa...Regen, Regen, Regen zwischen San Augustin and Mocoa

one Moment of sun in San Juan, ein kurzer Moment Sonne in San Juan

Wir kommen am Abend in Mocoa an. Hierher verirren sich (noch) nur wenige ausländische Touristen. Die Unterkünfte sind mit umgerechnet 7 Euro pro Nacht für zwei Personen preiswert. Wir haben uns zwei Dinge herausgesucht die wir uns gerne anschauen möchten. Zum einen das Forschungszentrum für Tiere des Amazonas, zum anderen die Wasserfälle "Fin del Mundo". Das bedeutet übersetzt "Ende der Welt". Als wir am ersten Tag ausgeschlafen haben ist es schon zu spät für die Wanderung zu den Wasserfällen da man für diese insgesamt 5 h einplanen sollte. Also nehmen wir den Bus, bzw. den Pick up mit Bänken auf der Ladefläche, zum Forschungszentrum. Wir sind ein wenig enttäuscht das es geschlossen ist. Auf dem Schild steht etwas anderes aber man habe für die Öffentlichkeit nur noch am Wochenende geöffnet. Schaaaaade! Wir laufen stattdessen zum Paway Zentrum. Einem nahegelegenen Ort im Urwald wo man sich den Pflanzen des Urwaldes widmet. Zudem gibt es ein Schmetterlingshaus und eine Station mit Papageien und Schildkröten die von der Tierschutzpolizei gerettet wurden.

Wir wandern 15 Minuten entlang eines Flusses und kommen schließlich an den Eingang. Ein Schild bittet das man die Glocke läuten soll. Das machen wir, ca. 10 Mal. Dann kommt gemächlich eine junge Frau an getrottet. Ob wir das Schmetterlingshaus besuchen wollten? Genau, sage ich und die Tiere. Mh, das Tor sei  ja abgeschlossen, sie müsse dann wohl mal den Schlüssel hohlen gehen. Stimmt, denke ich, wer hätte auch gedacht das Besucher rein wollen. Fünf Minuten später kehrt sie im Schneckentempo zurück. Schlüssel nicht auffindbar! Wir könnten ja über den Stacheldrahtzaun klettern. Mache wir dann auch denn der ist an einer Stelle zum Glück nur kniehoch. Wir bezahlen der Volontärin ohne Namen 2500 Pesos pro Person und dann laufen wir als erstes zum Baumhaus. Es ist gerade fertig geworden,  liegt in einer herrlichen Baumkrone in 25 Meter Höhe und hat sogar Dusche und Toilette. Wir könnten doch dort mal übernachten schlägt sie vor.  Ohne eine Miene zu verziehen erklärt sie mir das es 160.000 Pesos pro Person koste. Das sind insgesamt satte 100 Euro die Nacht.   Ich sage nur "Aha" und erkläre das wir nicht mehr lange in Mocoa blieben.

Wir gehen weiter zum Schmetterlingshaus. Nach zwei Sätzen Standarterklärung verstummt sie. Wir machen Fotos und würden gerne noch länger bleiben aber nach ganzen 5 Minuten sagt sie "na dann gehen wir mal zur Aufzuchtstation". Dort erklärt sie uns immerhin in 5 Sätzen den Lebenszyklus eines Schmetterlings, nicht ohne zu erwähnen das wir einen Kokon in einer Box kaufen könnten. Wenn der Schmetterling geschlüpft sei könnten wir ihn dann an einem schönen Ort frei lassen. Wir lehnen ab. Na gut, dann hoffe sie das es uns gefallen habe. Ich bin vollkommen perplex. Nach 10 Minuten soll es das gewesen sein? Ich frage ob es denn keine Tiere gäbe? Ach ja, die Tiere, die habe sie ja ganz vergessen uns zu  zeigen. Wir laufen zu den Papageien. Nach weiteren 2 Minuten sagt sie das wir ja den Ausgang finden würden. Ich frage ob das denn ALLE Tiere seien die hier leben würden. Ach stimmt, die Schildkröten gäbe es ja noch. So langsam komme ich mir ein wenig veräppelt vor. Ich frage mich ob das wirklich der Ort ist der von einem amerikanischen  Rucksacktouristen in seinem Reisebericht in den höchsten Tönen  gelobt wurde! Nach den Schildkröten gibt es dann offensichtlich wirklich nichts mehr zu sehen und wir verabschieden uns. Wir wandern ein wenig enttäuscht den schönen Pfad entlang des Flusses zur Straße zurück. Kaum sind wir dort angekommen hält ein Auto neben uns und der freundlich lächelnde Fahrer fragt uns ob wir eine Mitfahrgelegenheit nach Mocoa bräuchten. Wir nehmen dankend an. Wir kommen schnell ins Gespräch mit Alvaro. Er hat einen Bus der Touren mit Touristen veranstalte und er  freue sich immer über ausländische Touristen in der Gegend. Wir befragen ihn ein wenig zu den Attraktionen der Umgebung und er erkundigt sich ob wir denn schon den Grenzfluss zwischen dem Bundesstaat Cauca und Putumayo besichtigt hätten. Wir verneinen und erzählen das wir den Fluss zwar gesehen hätten allerdings im strömenden Regen. Alvaro sagt er hätte ein wenig Zeit, ob wir dort hin fahren wollten und schon befinden wir uns auf dem 20 minütigen Weg. Kurz noch bei der Bäckerei gestoppt, soll doch ein richtiger Ausflug werden, und schon düsen wir auf der Landstraße entlang während wir an unserem leckeren Biscochi knabbern. Als wir am Fluss angekommen sind bekommen wir jeder eine kalte Tüte Wasser gekauft und dann laufen wir zur Holzbrücke runter. Dieser Teil des Flusses ist nicht von der Straße aus einsehbar und die Aussicht ist grandios. Im Laufe der Jahre ist hier eine Schlucht mit herrlichen Steinformationen entstanden. Alvaro knipst fleißig Fotos von uns und hat offensichtlich genau so viel Spaß an dem kleinen Ausflug wie wir. Nach einer Stunde fahren wir zurück. Auf dem Rückweg wünscht er sich eine kleinen Englischlektion die wir natürlich gerne mit ihm absolvieren. Er erzählt uns von seiner Frau, seinen beiden Kindern die Ingenieurswesen in Cali an der Universität studieren, und seinem deutschen Freund hier in Mocoa. Als wir wieder in der Stadt angekommen sind werden wir trotz aller Widerrede zum Kaffee eingeladen. Wir wollen gerne bezahlen aber das dürfe nun wirklich nicht sein sagt er. Wir seien schließlich Gäste hier. Wow! Was für eine tolle Wendung des Tages.....Dann klingelt das Handy. Seine Frau ist offensichtlich am Apparat. Er müsse langsam nach Hause. Wir tauschen Kontaktdaten aus und dann sitzen wir mal wieder völlig überwältigt von der kolumbianischen Gastfreundschaft alleine am Tisch der ältesten Bäckerei Mocoas und sind einfach nur sprachlos!

beautiful tree house near Mocoa, wunderschönes Baumhaus in der Nähe von Mocoa

Butterfly house, Schmetterlingshaus

This flower Looks like a Kiss, diese Blume sieht aus wie ein Kussmund

rescued animals, gerettete Tiere

our afternoon trip with Alvaro to a River near Mocoa, unser Nachmittagsausflug mit Alvaro zu einem Fluß in der Nähe von Mocoa

Alvaro & Radko

with Alvaro in front of the oldest Bakery in Mocoa, mit Alvaro vor der ältesten Bäckerei Mocoas

Am Ende der Welt

Wir sind auf dem Weg zum "Ende der Welt" genauer gesagt zu den Wasserfällen am Ende der Welt. Um 6:30 sind wir startklar um uns in unserer neuen Lieblings-Bäckerei zu stärken. Anschließend nehmen wir den öffentlichen Pick up zum Eingang der Wasserfälle. Die Frau in der Bäckerei lässt es sich nicht nehmen mehrfach zu erwähnen das es dort ein wenig gefährlich sei. Was genau den gefährlich sei möchte ich wissen. "Gefährlich eben" ist die nichtssagende Antwort, wir sollten kein Bargeld mitnehmen und "OJO!", also die Augen offen halten.

Beim Eingang zum Wanderweg müssen wir bei einer jungen Frau den Eintritt von 2500 Pesos (1,80 Euro) bezahlen und uns in eine Liste eintragen. Sie hält uns ein kleines Formular vors Gesicht und bemerkt wenn wir die Versicherung nehmen würden koste der Eintritt nur Tausend Pesos. Ich frage was das für eine Versicherung sei. Die  "Ingigena" guckt von ihrem Handy hoch und sagt unbeteiligt "na falls Ihr abstürzt oder so". Wir entscheiden uns dennoch für die 2500 Pesos. Anschließend nimmt sie einen Schulhefter mit Fotos die in Klarsichthüllen stecken in die Hand und erklärt uns die Abfolge der Wanderung. Wir müssten  den Fluss überqueren, ich frage wo denn genau, ach das würden wir schon sehen! Na gut, ich meine  mich wage an einen Erlebnisbericht im Internet zu erinnern wo die Gruppe die Wasserfälle nicht gefunden hat aber wird schon gehen denke ich.  Bei der Rückkehr dürften wir nicht vergessen uns auszutragen, sonst müsse sie die Touristenpolizei informieren. Das ist dann doch Musik in meinen Ohren. Zumindest bleiben wir nicht "Lost in  the Jungle" falls wir vom Weg abkommen. Zu meiner Beruhigung stehen vor unseren Namen schon mindestens 5 andere Wanderer in der Liste die sich bereits auf den Weg gemacht haben. Also, auf geht's!

Die ersten 45 Minuten laufen wir auf rutschigen aber zumindest mit Holz befestigten Wegen stetig bergauf. Zum Glück regnet es nicht, denn dann würden sich die Wege ziemlich schnell in kleine Bäche verwandeln. Die Luft ist noch angenehm kühl und es liegt ein herrlicher feuchter Duft von Moos und Waldboden in der Luft. Wir sind alleine und lauschen fasziniert den Lauten des Urwaldes. Um uns herum fliegen mehr Schmetterlinge als wir gestern im Schmetterlingshaus gesehen haben und wir genießen diese herrliche Atmosphäre. Wir erreichen  die erste Anhöhe, trinken Wasser und verschnaufen einen Augenblick.

welcome to the end of the world, Willkommen am Ende der Welt

this way to the end of the world, hierentlang zum ende der Welt

Von der Anhöhe  aus wandern wir eine Weile bergab und erreichen über eine kleine Holzbrücke den Fluß und den ersten der drei Hauptwasserfälle. Vor dem ersten Wasserfall staut sich der Fluss auf. Die Wasseroberfläche ist spiegelglatt. Im Fluss liegen hellbraune Steine und alte Baumstämme und die Sonnenstrahlen fallen durch die Baumkronen auf das klare Wasser. Auf einer Art natürlichem Steg aus Felsen können wir auf den Fluss laufen und die fast mystische Atmosphäre auf uns wirken lassen.

Im Anschluss wandern wir weiter, immer noch auf der linken Seite des Flusses entlang. Hier müssen wir laut Beschreibung den Fluss durchqueren, aber nur wo? Nach zehn minütiger Suche sehen wir ein altes verwittertes Schild das an einem Baumstamm genagelt ist. "Cruze" (Kreuzung) steht drauf. Hier müssen wir also irgendwie durch. Ich gucke ein wenig nervös auf den Fluss. Ich habe gerade wenig Lust mir die Wanderschuhe auszuziehen. Radko läuft schon mal vor und hüpft mit seinen endlos Beinen  wie ein junges Reh von Stein zu Stein und ist keine drei Minuten später am anderen Ufer. Äh, und was ist mit mir? Ich stelle mich nicht ganz so elfenhaft an und liege einmal fast im Wasser.

Radko hat erbarmen, hüpft nochmal zu mir zurück und zeigt die nächsten 10 Minuten von Stein zu Stein. Endlich bin ich auch trocken am anderen Ufer angekommen- Ich male mir zwischendurch aus wie das in der Regenzeit aussehen könnte. Von hüfthoch war in dem Bericht aus dem Internet die Rede...ich will gar nicht daran denken!

Frohen Mutes hüpfe ich nun auf festem Boden weiter aber nach nur wenigen Metern auf dem Trampelpfad auf der rechten Seite des Flusses sehe ich ein weiteres halb vermodertes Schild "Cruze" welches eindeutig auf die linke Seite des Flusses zeigt. Inzwischen sind wir bei den zweiten Wasserfällen angekommen. Was? Das kann doch nicht sein jammere ich, die hat doch nichts von zwei Mal gesagt, aber das Schild ist eindeutig! Am anderen Ufer hat es sich inzwischen die kolumbianische Touristengruppe aus der "Liste" am Eingang gemütlich gemacht und packet ihr Mittagessen aus während wir nun doch unsere Schuhe ausziehen müssen. Das Flussbett ist gefährlich glatt. Zweimal liege ich fast im kalten Wasser aber mehr als Kniehoch waten ist zum Glück nicht erforderlich.

First Waterfalls, Wasserfall Nr. 1

cross here, Überquerung

second Waterfall, Wasserfall Nr. 2

Nach der zweiten Flussüberquerung ist der Wasserfall am Ende der Welt nur noch einen Katzensprung von uns entfernt. Wir überqueren den Fluss ein drittes Mal, hier jedoch auf einem sicheren Steinsteg. Dann geht es noch einmal kurz bergauf und plötzlich "hört die Welt auf". Als wäre der Planet eine Scheibe stehen wir ehrfürchtig auf einer Felsplatte die...im "Nichts" zu enden scheint und neben uns stürzt sich ein gigantischer Wasserfall ins Ende der Welt!

River crossing Number 3, Flussüberquerung Nummer 3

Waterfall end of the World, Wasserfall Ende der Welt

looking into the end of the world, Blick ins Ende der Welt

Wir sind hier ganz alleine. Erst auf dem Rückweg begegnen wir noch 3 weiteren Touristen. Ein Schild warnt vor den glitschigen Steinen. Man solle sich der Kante nur auf dem Bauch rutschend nähern und selbst hierbei stockt uns noch aus sicherem Abstand der Atem. Mir wird leicht schwindlig als ich vorsichtig in die Tiefe luge. Wow, was für eine Kulisse und welch ein treffender Name für einen Wasserfall. Vor uns erheben sich in der Ferne die Anden und wie eine Miniaturstadt der Ort Mocoa. Wir befinden uns am Ende der Welt, wo die Anden auf den Amazonas treffen und sind uns einig, das ist der absolute Wahnsinn!

Auf dem Rückweg erleben wir das ganze Naturspektakel  nochmals nur in umgekehrter Reihenfolge. Nachdem wir erneut durch den Fluss gewatet sind haben wir uns auch endlich ein Picknick verdient.

Ich schaffe es diesmal auch zumindest wie ein junger Elefant über die Steine zu hüpfen aber in der B-Note für künstlerischen Ausdruck ginge sicher noch was...Dann wandern wir nochmals den herrlichen Pfad zurück zur Anhöhe. Immer wieder bleiben wir stehen um Fotos von Schmetterlingen oder lustigen Insekten zu machen. Mehrfach sehen wir den wunderschönen Morpho, einen riesigen Schmetterling der von außen zur Tarnung braun ist, Augen auf den Flügeln hat und von innen wunderschön hellblau leuchtet. Auf der Anhöhe werden wir von einem Wanderer auf deutsch begrüßt. Er lebe in Cali, sei Musiker aber auch Schmetterlingssammler. Zu meinem Entsetzen fliegt gerade ein wunderschöner Morpho an uns vorbei. Er steht auf und fängt ihn wie Gargamel bei den Schlümpfen mit einem großen Netz und verstaut ihn lebend in einer Papiertüte in einer Tupperbox. Ich bin entsetzt und wir verabschieden uns sofort. Ich kann mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden das diese wunderschönen Lebewesen aus Sammelzwecken gefangen werden!

Am Nachmittag erreichen wir wieder die Landstraße. Das erste Auto das angefahren kommt ist ein junger Mann in einem LKW. Er sieht uns und stoppt sofort mit der Frage ob wir mitfahren möchten.

In Mocoa angekommen bin ich vollkommen platt. Mich hat es mit einer Erkältung erwischt und ich verkrieche mich mit Taschentüchern, Nasentropfen und Halstabletten ins Bett. Morgen werde ich wohl nicht in der Lage sein die Todesstrasse hoch zu radeln, aber das Abenteuer ruft und wir sind hoffentlich bald mitten drin!

River crossing, Flussüberquerung

Hungäääär

What a magical Place, was für ein magischer Ort!

Morpho Butterfly, Morpho-Schmetterling