dream on two wheels

"Colombia te llevo en mi corazon"

Von Cartagena und Medellin über den Parque National los Nevados in das Magdalenatal und zur Tatacoa Wüste (28.7.-28.8.16)

"Kolumbien, Dich trage ich im Herzen" steht auf dem Aufkleber den mir Manuel vor seinem Laden in San Antonio del Prado auf meinen Rahmen klebt. Den meisten von uns die an Kolumbien denken fallen wahrscheinlich spontan Begriffe wie "Guerilla, Drogen und Entführungen" ein. Als wir in Cartagena kolumbianischen Boden betreten machen wir das mit gemischten Gefühlen. Einerseits kennen wir die Schreckensnachrichten die in der ganzen Welt in der Vergangenheit ein äußerst negatives Bild über dieses Land verbreitet haben, andererseits haben wir den begeisterten Berichten anderer Radfahrer gelauscht und freuen uns Kolumbien für uns zu entdecken.

 In Cartagena haben wir nicht nur einen neuen Kontinent betreten sondern auch eine der vielleicht schönsten Städte Lateinamerikas. Nachdem wir unsere Räder wieder startklar haben radeln wir mit Laura, Sam und Adam in die Altstadt und mieten uns in einem ruhigen Hostal ein. Es ist schön wieder festen Boden unter den Füßen zu haben obwohl dieser die erste Zeit ab und an zu schwanken scheint. Cartagena ist eine absolute Touristenhochburg. Am späten Nachmittag als die Hitze einigermaßen erträglich ist schlendern wir durch die Altstadt und genießen das bunte Treiben in den Gassen und Plätzen. Am Abend treffen wir uns auf der Dachterrasse einer Bar mit der gesamten Crew der Wildcard. Charly händigt uns unsere Pässe aus, ein letztes Mal stoßen wir auf die tollen Erinnerungen an aber dann heißt es für jeden wieder seine eigenen Wege zu gehen. Auf dem kleinen Platz vor der Bar führt eine Breakdance Gruppe ihre akrobatischen Tänze auf, anschließend schallen Salsa Klänge durch die Nacht und ob Jung oder Alt dieser Musik kann niemand widerstehen. Ein junger Mann drückt mir einen Flyer in die Hand. Morgen um 10:00 gäbe es eine kostenlose Street Art Tour und er würde sich freuen wenn wir kämen. Wir müssen nicht lange überlegen und sind am nächsten Morgen am Treffpunkt. Die nächsten 90 Minuten werden wir im Rahmen eines Straßenkunstprojektes durch die Stadt geführt. Der junge Belgier entführt uns in die "Welt des Sprühens" und wir sind erstaunt als wir erfahren welche Bedeutung diese Kunst in Kolumbien hat. Wir hören von der traurigen Geschichte eines jungen Mannes der vor einigen Jahren beim besprühen einer Mauer in Bogota von der Polizei erschossen wurde. Als Reaktion darauf habe es eine intensive Bewegung in der Street Art Scene gegeben und mittlerweile werden viele Mauern und Wände kolumbianischer Städte legal mit den beeindruckenden Werken lokaler und internationaler Künstler geschmückt. Selbst eine bekannte Soda Company habe ein Werk in Cartagena in Auftrag gegeben das nun als größtes Streetart Bild der Welt die Wand eines Hochbaus schmückt. Nur das das Logo  der Firma im Bild nach Fertigstellung kurzerhand wie von Geisterhand wieder von der Wand verschwunden ist.

free street art tour in Cartagena

Nach vier Tagen in Cartagena zieht es uns weiter. Wir wollen dem schwül-heißen Tropenklima in die kühle Bergluft der Anden entfliehen. Wenn wir von anderen Reisenden Geschichten über Kolumbien gehört haben stand eines immer an erster Stelle. Die kolumbianische Gastfreundschaft. Mit dieser machen wir erstmals in der Casa de Ciclista in der Stadt Medellin eine eindrückliche Begegnung. Galt Medellin vor einigen Jahren noch als einer der gefährlichsten Städte der Welt, hat sich die Stadt heute zu einer inmitten der herrlichen Anden gelegenen hippen, sympathischen Hochhausmetropole entwickelt. Durch die gesamte Stadt zieht sich zu unserer Freude ein hervorragend ausgebautes Netz von Radwegen, dennoch benötigen wir nahezu den gesamten Tag um bei der Casa de Ciclista im kleinen Örtchen San Antonio del Prado anzukommen. Der Ort liegt nur ca. 25 Kilometer außerhalb des Zentrums von Medellin aber der Anstieg hat es in sich. Als wir oben ankommen wir uns sofort klar. Dieser Ort ist ein kleines Paradies und läd zum Verweilen ein. Übersetzt bedeutet Casa de Ciclista " Haus des Radfahrers". Es ist ein Projekt des kolumbianischen Ehepaars Manuel und Marta die in jahrelanger und liebevoller Arbeit eine Oase zum Erholen für müde Radfahrer geschaffen haben. Als das Projekt vor einigen Jahren ins Leben gerufen wurde gab es nur ein kleines Zimmer zum schlafen. Inzwischen ist durch die Mitarbeit vieler Radfahrer angebaut und aufgestockt worden und entstanden ist eine "Villa Kunterbunt a la Colombiana" mit Wohnzimmer, Küche, Bad, Terrasse und Obergeschoß. Zuweilen schlafen hier bis zu 15 Radfahrer gleichzeitig, tauschen Routen und Geschichten aus, reparieren Räder, basteln, konstruieren etwas für das Haus und genießen die fantastische Natur und Ruhe. Es ist einer "dieser" Orte wo man sofort abschaltet und jegliche Anspannung und Strapazen von einem abfallen. Als wir am Nachmittag vor dem Haus stehen ruft die Nachbarstochter Manuel in seinem Laden an und der kommt sofort um uns zu begrüßen und um uns alles zu zeigen. Der lustige Kolumbianer mit dem Lockenkopf und den wachen Augen ist uns auf Anhieb sympathisch. Natürlich wird ein "Tinto" gekocht, das ist ein dünner süßer schwarzer Kaffee, und während wir das herrlich duftende Gebräu schlürfen erzählt uns Manuel von der Entstehung der Casa de Ciclista und seiner schwierigen Vergangenheit. Fesselnd berichtet er  wie seine Eltern als er gerade mal 13 Jahre alt war ermordet wurden und wie er in das Drogenmilieu abgerutschte, das er zum Glück mit Hilfe eines guten Freundes und einer guten Rehabilitation lange hinter sich gelassen hat. Es folgte eine Krebsdiagnose aber auch diese hat er auf wundersame Weise bekämpft und überwunden. Stolz erzählt er uns wie das Haus immer weiter mit Hilfe "der Franzosen" oder "der Amerikaner" und zahllosen anderen helfenden Radfahrern gewachsen sei. Ich frage Manuel was er sich den als nächstes Projekt für das Haus wünsche und die Antwort ist spontan "eine tolles Geländer auf der Terrasse, so eines wo man auch mal eine Tasse oder ein Teller abstellen kann". Am nächsten Morgen zeigt er uns den Schuppen und das vorhandene Material. Wir sollten uns mal keine Gedanken machen wir könnten uns auch beruhigt ausruhen, das hätte auch noch Zeit. Ich gucke Radko an, der grinst und ich sehe bereits wie es in seinem Kopf rattert als er das Material betrachtet. Manuel muss los, er hat ein Geschäftstreffen außerhalb der Stadt. Ich schaue Radko an und sage "müsste schon irgendwie gehen, oder?". Radko kuckt auf das Altholz und eine Dose schiefer verrosteter Nägel, grinst und antwortet "IRGENDWIE schon". Wir machen uns also dran den Schuppen zu durchforsten, legen geeignete Materialien zur Seite, finden sogar eine alte elektrische Kreissäge und werkeln los. Gegen späten Nachmittag sind wir fertig. Wir sind zufrieden. Als Manuel uns später besuchen kommt und fragt was wir so den ganzen Tag gemacht hätten sage ich "na , Dir ein neues Geländer gebaut". Er guckt uns ungläubig an. "Ihr seit fertig?" "Si" sagt Radko und als Manuel auf die Terrasse geht bekommt er feuchte Augen vor Rührung. "Jetzt werde ich mich immer an Euch beide erinnern wenn ich auf der Terrasse bin". Er umarmt uns grinst und sagt "Los Alemanes, wenn die was sagen dann machen die das auch". Wir sind nun ebenfalls ein bisschen gerührt und glücklich das wir auf unserer Reise auch mal etwas "geben"  und jemandem eine Freude bereiten konnten. Und irgendwie ist es ja auch ein schönes Gefühl ein Teil des Hauses geworden zu sein.

Die meiste Zeit haben wir das Haus für uns alleine. Nach mehreren Monaten packen wir seit langem wieder unsere Schlafsäcke aus denn auf 2000 Meter ist es angenehm kühl. Wir fallen jeden Abend in einen Tiefschlaf. Morgens sitzen wir auf der Terrasse trinken Kaffee, lesen und genießen die spektakuläre Aussicht auf die satt grünen Anden und die Zeit vergeht wie im Fluge. Am dritten Tag gesellen sich Kathy aus Ecuador sowie Lizzie und Ali aus England zu uns. Es wird ein schöner Abend voller spannender Radgeschichten.

Nach fünf Nächten sagen wir "Adios" zu Marta und Manuel....aber so leicht kommen wir nicht davon! Nach nur 1 Km überholen uns die beiden auf ihrer Vespa. Ein letzter "Cafecito" muss doch noch sein. Sie eskortieren uns zu ihrem Fahrradladen. Manuel klebt nach der Tasse Kaffee jedem von uns stolz den hauseigenen Aufkleber auf unseren Rahmen und als ich die kolumbianische Flagge als Aufkleber mit dem schönen Spruch entdecke kommt diese kurzerhand dazu denn eines ist jetzt schon klar. Nach nur wenigen Tagen haben wir Kolumbien bereits in unser Herz geschlossen und freuen uns auf die weiteren Begegnungen mit diesem Land

Casa de Ciclista, Medellin

Marta, John, Lizzie, Ali, Radko, Anja and Kathy at the Casa de ciclista

View from the balcony

at the balcony

Stickers for our bicycles from Manuel

in front of Manuels and Martas bike shop

Willkommen in den Anden

"Beste Route auf meiner Tour bislang" schreibt uns Radfahrer John aus Irland und schickt nebenbei noch ein paar beeindruckende Landschaftotos. Die Rede ist von einer Route die als winzige weiße kleinen Straße auf unserer Landkarte erscheint und durch den Parque National de los Nevados zieht. Das lassen wir uns natürlich nicht zwei Mal sagen und machen uns auf den Weg von Medellin in die Stadt Manizales in deren Nähe die kleine Straße abzweigt. Wir befinden uns bereits inmitten des westlichen Andenzugs und grob gesehen kann man sagen das die Straße stetig steigt. Kurz vor Manizales übernachten wir völlig erschöpft an einer Tankstelle und erreichen am nächsten frühen Nachmittag die Stadt. Wir mieten uns in einer preiswerten Hospedaje am Bahnhof ein und füllen unsere Radtaschen mit Lebensmittel für 4 Tage auf den die Straße durch den Nationalpark soll recht einsam und abgelegen sein.

Am nächsten Morgen machen wir uns auf den Weg. Die Straße steigt und steigt und steigt...wir machen Rast an einer Tankstelle, ziehen uns eine Cola und eine Tüte kaltes Wasser rein und ich erkundige mich nach dem Abzweig. Noch weiter hoch müssten wir. Das sei die gute Straße zum Nationalpark. Es gäbe noch eine andere kleine aber die sei gar nicht mit dem Rad befahrbar. Okay denken wir, die werden sich auskennen, John ist ja schließlich auch mit dem Rad auf der Route gefahren also muss es die "bessere Straße" sein.  Na gut wir fahren also weiter mit 4,6 Kmh die durchschnittliche 6% Steigung. Nach weiteren 5 Kilometern kommt uns die Sache dann doch ein wenig komisch vor denn es kommt kein Abzweig und wir schauen auf unsere Karte im Mobiltelefon. Mist, wir sind natürlich doch falsch wir müssen 6 Kilometer zurück bergab. Es ist in der Tat die "schlechte" Route aber wenn John das geschafft hat werden wir dort auch lang fahren können. Wir arbeiten uns durch ein Industriegebiet vor dann beginnt sich die asphaltierte Straße in Kurven die satt grünen Berge hochzuwinden. Nach 15 Kilometern hochprozentigem Anstieg sind wir platt und schlagen unser Zelt im Garten eines kleinen Hotels auf. Wir dürfen sogar die Hotelküche benutzen. Es ist mitten in der Woche (das ist das einzige was wir wissen ohne den Wochentag nennen zu können) und wir sind die einzigen Gäste. Die umliegende Landschaft könnte ebenso aus einem bayrischen Urlaubsprospekt stammen. Grüne Wiesen und Gipfel soweit das Auge reicht und der einzige Wehrmutstropfen sind die lauten Technoklänge die aus dem nahen Thermalbad zu uns schallen.

Am nächsten Morgen radeln wir beschwingt weiter aber dann hört ER auf. Was denn genau fragt ihr Euch? Der ASPHALT! Macht nichts denke ich die Schotterpiste fährt dich doch nicht schlecht. Tja, die hört leider auch nach weiteren 2 Kilometern auf. Was dann folgt kann man allenfalls als eine Geröllhalde bezeichnen. Es ist als würden wir auf einem ausgetrockneten Flussbett fahren, pardon, schieben, denn für die nächsten 8 Kilometer geht nur das letztere. Trotz der Anstrengung erahnen wir so langsam das die Route ein landschaftliches Spektakel der Höchstklasse werden wird denn je höher wir kommen um so schöner wird es. Wir sind quasi alleine auf der Route. Bis zum späten Nachmittag begegnen uns ein Auto, zwei Motorräder drei Maultiere und ein Hund. Die Steilhänge neben uns sind mit dichtem Farn und Dickicht bewachsen und immer wieder ziehen die Wolken an uns vorbei und mit jeder Stunde die wir höher schieben wird es kühler. Auf 3700 Metern soll es ein Hotel mit Thermalbad geben aber wir wissen auch um den wirklich teuren Zimmerpreis. Wir überlegen wild zu campen aber dann sehen wir ein altes Holzschild an einem Zaun auf dem kaum noch lesbar  "Aqua Thermales" steht. Ich marschiere in den Garten und unterhalb eines Abhangs der von der Straße nicht einsehbar ist eröffnet sich mir unser Nachtlager. Eine kleine Campinganlage mit einem Thermalpool. Perfekt! Für umgerechnete 5 Euro pro Person können wir unser Zelt unter einem der schlichten Dächer aufbauen und den Pool  genießen. Als die Sonne untergegangen ist wird es ungewohnt kalt. Wir ziehen unsere Daunenjacken und Mützen an und freuen uns endlich mal nicht nachts zu schwitzen denn wir sind mittlerweile auf 3500 Höhenmeter angekommen. Von hier aus haben wir im Dunkeln einen spektakulären Blick auf das 1500 Meter niedriger liegende Medellin welches sich uns als funkelndes  Lichtermeer zeigt. Fantastisch!

Wir fahren bzw. schieben weiter. Nach 5 Kilometern wird die Piste zumindest so viel besser das wir ab und an langsam fahren können. In einer Kurve kommt uns ein Auto entgegen. Wie immer grüßen wir freundlich. Das Auto stoppt. Eine lustige Männertruppe steigt aus. Ehe wir uns versehen ist der Kofferraum geöffnet und wir befinden uns inmitten eines Picknicks auf der Straße. Wir werden mit Cola, frischer Blutwurst und süßen Feigen verköstigt. Bei der geräucherten Leber die aus einem Bananenblatt ausgewickelt wird sage ich "nein Danke". Die Frage ist warum ich das nicht essen wolle. Ich sage "weil ich die ständig auf der Arbeit gesehen habe" und das finden alle lustig. Nach 20 Minuten und einer Packung Kekse für den Weg verabschieden sich die Männer. Man ist auf einem Angelausflug und leider habe man noch nichts gefangen. Das müsse man noch ändern, man wolle ja schließlich nicht riskieren zu hause ausgelacht zu werden. Bevor die Mannschaft wieder ins Auto steigt lassen sie es sich nicht nehmen uns noch im Detail die weitere Route zu beschreiben. Es kämen noch genau 4 Häuser bis zum Dorf Murillo wo wir es auf keinen Fall mehr heute hin schaffen würden aber am zweite Haus auf der linken Seite  "El Sifon" dort könnten wir zelten.

Unsere Fahrt geht weiter. Die Landschaft wird offener und karger, bleibt aber grün. Die Baum- und Schneegrenze liegt hier deutlich höher als in Europa. Wir radeln an abgelegenen Bauernhöfen vorbei, auf der Straße begegnen wir niemandem, nur ab und an einer Kuh und nach ca. 3 h erreichen wir eine Kreuzung und ... Asphalt. Wir sind kurz vor unserem ersten beradelten viertausender Gipfel. Immer wieder halten wir an um Fotos zu machen oder einfach nur andächtig auf die Landschaft zu starren. Nahezu minütlich ändert sich durch das intensive Wolkenspiel die Atmosphäre und hinter jeder Kurve wartet eine neue spektakuläre Kulisse. Es ist kaum möglich die Eindrücke bildlich festzuhalten aber dennoch knipsen wir Foto um Foto und dann stehen wir auf dem Gipfel des "Guali". Ein großartiges Gefühl. Nach dem obligatorischen Gipfelfoto radeln wir auf einer Art Hochebene immer zwischen 4000 und 4100 Höhenmeter. Unsere Pumpen laufen trotz der relativ langsamen Akklimatisation der letzten Tage auf Hochtouren. Bei den Anstiegen schnaufen ich wie eine Dampflock vor mich hin. Immer wieder muss ich anhalten damit sich mein Puls beruhigt aber sonst spüren wir nichts von der gefürchteten Höhenkrankheit.

Erst in der Dämmerung erreichen wir in einem gigantischen Wolkenspiel "El Sifon". Wir bauen schnell das Zelt auf, werfen Isomatten und Schlafsäcke rein und zünden sofort den Kocher denn sobald die Sonne untergegangen ist wird es empfindlich kalt. Wir begehen müde und irgendwie dann doch vielleicht durch die Höhe etwas konzentrationslos einen absoluten Anfängerfehler. Wir haben kein Wasser mehr und müssen das örtliche aus dem Wasserhahn nehmen. "Wird ja abgekocht, brauchen wir nicht zu steripenieren" ( also mit unserer UV Lampe entkeimen) sagen wir uns und hauen die Nudeln rein. Ohne jedoch daran zu denken das das Wasser auf 4000 Höhenmetern doch schon viel früher als bei 100°Celsius kocht. Ach ja, Nudeln kochen funktioniert im Übrigen auch nicht stellen wir fest, das ganze endet in einer zähen unappetitlichen sehr merkwürdig schmeckenden Masse. Ich bezahle das ganze mit einem ordentlichen Dünnpfiff. Nichts bleibt drin und halb erfroren flüchte ich mich als alles leer ist nur noch in meinen Daunenschlafsack. Ich muss sogar die Daunenjacke anlassen denn ich habe null Energie übrig um Wärme zu produzieren. Ich versuche es mit einem süßen Tee den Radko mir bringt aber der bleibt auch nicht dort wo er hin gehört und ich muss wieder in die Kälte. Ohne Radko wäre ich sicher in dieser Nacht kurz vor dem Erfrierungstot  gewesen aber dank der perfekten Reisverschlußtechnologie unserer Schlafsäcke können wir diese zusammenzippen und Radko muss uns diese Nacht beide warmhalten!

Der Nächste Morgen begrüßt uns mit heftigem Regen und wir warten...und warten. Irgendwann beschließen wir das wir im Regen zusammen packen wenn es in der nächsten viertel Stunde nicht beser wird..und es wird nicht besser, zumindest nicht sofort. Nachdem wir das triefend nasse Zelt zusammengerollt haben nieselt es zumindest nur noch. Die Wolken verflüchtigen sich ein bisschen und wir rollen weiter. Auf der Straße ist für hiesige Verhältnisse wahrscheinlich heftiges Treiben. Wir treffen jede Menge Reiter und mit Milchkannen und Colapaletten beladene Maultiere und die sind oftmals deutlich schneller auf der inzwischen wieder unasphaltierten Piste als wir. Die Landschaft bleibt der Hammer! Kakteenwälder, heiße Quellen und der Vulkan Ruiz der fleißig vor sich hin Asche ausspuckt prägen das Bild. Dann wiederum sind wir in einer Art Mondlandschaft unterwegs, überqueren Bachläufe um hinter der Nächsten Ecke im Nebel zu verschwinden. 

leaving Medellin

construction along the road to Manizales

typical Restaurant along the road

near Manizales

historic City center of Manizales

first camp on the way to the  National Park Los Nevados

second day of climbing...or pushing to the Nevado ruiz

climbing higher and higher...

Camping at local thermal pool 3500 above sea level

hot rivers ...

thanks for the food!

it is a long way up to the top

almost at the top

the summit

between the summit and "El Sifon"

local transportation

above 4000 meters

El Sifon

our Camping spot in the clouds at the house "El Sifon"

next morning at "El Sifon"

between El Sifon and Murillo

Fiesta, Thermalquellen und auf Stöckelschuhen zu Pferd

Am späten Nachmittag erreichen wir den kleinen Ort Murillo. Als erstes fällt uns auf das alle Häuser in herrlichen Farben angemalt sind. Als zweites das für so ein kleines Dorf relativ viel Leute unterwegs sind, vor allem zu Pferd. Auf der kleinen Dorfstraße trabt ein Reiter neben dem anderen. Ich muss mehrfach hingucken als ich eine Reiterin mit locker 6 cm Highheels entdecke. Fast alle Reiter, und es sind locker 100-150, haben eine Flasche Schnaps oder ein Bier in der Hand und alle, inklusive der Pferde sind herausgeputzt. Die Frauen tragen knallenge Jeans und Tops, viele Reiterinnen sind mit besagten Absätzen oder Plateuschuhen zu Pferd und die Männer tragen allesamt Hut. Was ist hier los wollen wir wissen. Kaum haben wir zur nächsten Ecke geschoben sind wir die Attraktion. Eine Menschenmenge sammelt sich um uns und alle wollen wissen was wir machen. Während wir erklären bekommen wir auch schon jeder einen Platsikschnapsbecher in die Hand und los geht's....Alle wollen mit uns anstoßen, Handys werden für Fotos gezückt und nach dem dritten Schnaps haben wir Mühe den vierten abzuwenden. In Murillo findet ein wichtiges Dorffest statt.  Menschen aus der Region und von weit her sind angereist. Das Fest findet nur alle 4 Jahre statt und entsprechend sind alle Herbergen und Hotels seit Monaten ausgebucht. Man empfiehlt uns die Polizei bezüglich einer Unterkunft um Hilfe zu bitten. Ich erkläre der Polizei unsere Situation und frage nach einer Campingmöglichkeit aber das schließt der nette Polizist gleich erst einmal aus. Wäre doch schade um die guten Räder. Zu viele Leute im Dorf, da wisse man nie. Wir sollten ihm mal folgen, er würde alles für uns regeln. Nach zwanzig Minuten ist alles geklärt. Eine lokale Familie nimmt uns auf. Das Haus besteht aus zwei größeren Räumen. Im vorderen Raum befindet sich ein Restaurant das allerdings nur aus einem Tisch besteht. Offensichtlich kennen viele Menschen das Restaurant denn nach und nach sitzen immer wieder neue Leute an dem Tisch und essen Eintopf. Wir könnten neben dem Tisch schlafen. Ich sage "super, vielen Dank", denke aber "ach du Scheiße, wir schlafen quasi unterm Tisch des Restaurants" und stelle mich schon einmal auf eine "unruhige" Nacht ein. Im zweiten Zimmer stehen ein paar Kinderspielsachen und ein Teil des Zimmers ist durch einen Vorhang abgegrenzt hinter dem ein Bett steht. Plötzlich bietet uns die Senora an das wir auch dieses Bett benutzen könnten. Ich frage ob das nicht jemand anderes bräuche aber sie winkt ab. Wir sollten uns da mal keine Gedanken machen. Ich nehme dankend an. Wie sich später herausstellt wird dieser Teil des Zimmers an einen jungen Mann vermietet bei dem ich mich mehrfach bedanke aber der sieht das ganz gelassen. Er grinst und sagt "ist doch  Fiesta die ganze Nacht, viel schlafen werde ich eh nicht". Nachdem wir sogar warm duschen konnten essen wir einen Teller Eintopf im hauseigenen Restaurant. So ganz wohl fühl ich mich irgendwie nicht. Das Haus ist voller Leute und wirklich schlau werden wir nicht daraus wer nun hier wohnt und wer nicht aber ich bin zu erschöpft und es ist ja nur für eine Nacht. Am Abend gehen wir zum Marktplatz. Hier ist eine riesige Bühne aufgebaut und nacheinander präsentieren Volkloretanzgruppen in herrlich bunten Trachten aus allen Regionen Kolumbiens ihre Aufführungen. Auf einer Seite der Bühne sitzen mehrere junge Damen. Es sind die Anwärterinnen für die morgige Schönheitsköniginnenwahl.

Am nächsten Morgen sind wir früh auf. Als wir alles gepackt haben geh ich zur Hausdame und gebe ihr etwas Geld für die Übernachtung. Wir sind schließlich nicht wirklich aus freien Stücken eingeladen worden und sie nimmt es dankbar an. Wir wissen das in Kolumbien viele Menschen nur wenig Geld haben und es oft am Nötigsten mangelt. Wir bekommen noch einen Kaffee und als wir das Frühstück ablehnen wollen kommt das gar nicht in Frage, wenigstens eine Suppe müssten wir doch essen und das machen wir dann auch.

Wir schieben unsere Räder eine Runde durch den Ort und werden von einem radsportbegeisterten Polizisten angesprochen. Wir merken immer wieder wie nett und hilfsbereit die kolumbianische Polizei und die Menschen sind. Gastfreundschaft ist hier nicht nur ein Begriff, sie wird gelebt! Man kümmert sich um die Touristen, möchte wissen wie uns das Land gefällt und hilft wo man kann. Es ist offensichtlich wie wichtig es den Menschen in Kolumbien ist das endlich das schlechte Image im Ausland verschwindet und wieder mehr Menschen die Schönheit ihres Landes kennenlernen. Immer wider werden wir gebeten doch Gutes zu Hause über Kolumbien zu erzählen und eines ist sicher, das werden wir bestimmt!

Als nächstes schieben wir zur örtlichen Bäckerei. Zu unserer großen Freude ist Kolumbien das erste Land auf der Reise in dem man etwas vom Backen versteht. In jeder Bäckerei gibt es mit Schinken und Käse gefüllte Croissants, Brötchen, Kuchen und je nach Region weitere Leckereien. Ein Croissant kostet je nach Größe zwischen 200 und 500 Pesos. Das sind umgerechnet ca. 6 bzw. 18 Cent. Wie man sich denken kann verlassen wir die Bäckerei jedes Mal mit einer großen Tüte die wir dann tagsüber aufessen!

Zum Dorf El Bosque erwartet uns nochmals eine harte Etappe. In Murillo guckt man uns ungläubig an als wir sagen das wir nach El Bosque weiterfahren. "Auf DER Straße wollt ihr RADFAHREN???" Ähm ja?" Eine andere Alternative gibt es nicht denn wir wollen auf keinen Fall die Thermalquellen verpassen von denen uns andere vorgeschwärmt hatten. Trotz aller Bedenken radeln wir erstmal los merken aber relativ schnell das die Piste wirklich katastrophal ist. Zu der schlechten Qualität reihen sich Abfahrten und Anstiege aneinander mit bis zu 24% Steigung, da geht nur noch schieben und selbst das ist nicht ganz einfach. Manchmal ist der Schotter und das Geröll so lose das wir einfach mit den Schuhen schlittern oder uns die Räder trotz angezogener Bremsen wegrutschen. An manchen Stellen müssen wir gemeinsam Rad für Rad zu zweit hochschieben. Die Landschaft bleibt herrlich und ist die Mühe allemal wert. Das Andenhochland fasziniert uns komplett. Hinter jeder Kurve, in jedem Tal sehen die grünen Hänge und Gipfel anders aus und mit einem Mal stehen auf den Wiesen riesige Palmen mit Stämmen die von der Ferne so dünn wie Streichhölzer wirken. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir das kleine Dorf El Bosque. Das Dorf besteht aus einem Fußballfeld um das  die Häuser stehen. Vor einem der Häuser spielt eine Truppe Männer ein Spiel bei dem Steine in einen schrägen Kasten aus weicher Masse werfen und dabei versuchen ein Loch in der Masse zu treffen. Ich erkundige mich nach einer Campingmöglichkeit und wir werden spontan eingeladen in der Kneipe vor der wir alle stehen zu übernachten. Der Raum ist nahezu leer und wird nur durch ein paar rote Plastikstühle und jede Menge Bierkästen geschmückt. Ich sage zu Radko "krasse Kneipe". Radko antwortet "Na ja, mehr braucht man doch nicht".

Wir stellen unser Zelt auf und ich bin fix und fertig. Ich habe null Lust den Kocher auszupacken. Ich frage den Kneipenbesitzer ob es ein Restaurant gäbe aber der schüttelt den Kopf. Ich könnte schräg gegenüber zur Senora Marleny gehen die koche öfters für andere Leute. Na gut denke ich, sage Radko Bescheid das ich was zu Essen hohle und marschiere auf die andere Seite des Feldes. Ich klopfe an der besagten Tür  und mir öffnet ein Junge im Grundschulalter. Ich frage nach seiner Mutter. Ich erkläre höflich die Situation und erkundige mich ob sie mir etwas zu Essen verkaufen würde. Sie strahlt sagt, sie müsste erst etwas kochen aber das sei kein Problem. Ich sage ich dachte sie hätte etwas fertiges und wolle keine extra Mühe machen. Sie winkt ab und sagt ich solle doch rein kommen und einen Tinto (schwarzen Kaffee) trinken und in der Zeit koche sie etwas. Na gut denke ich, obwohl ich Hunde müde bin, das sind doch oft die Situationen an die man sich letztlich gerne zurück erinnert, und genau so ist es. Ich werde sofort von dem zehnjährigen Diego und seinem kleinen Bruder Geronimo in Beschlag genommen und bekomme eine Gratisführung der Dorfschule, Bücherei und örtlichen Telefonzelle. Diego fragt ob ich ihm etwas aufschreiben könne denn man würde ihm sonst in der Schule nicht glauben das er eine Deutsche kenne. Als wir zurück kommen stehen zwei herrlich dampfende Teller mit Fleisch, Reis, Gemüse, Arepas (eine Art Maispfannkuchen) sowie ein Tasche heiße Schokolade mit Käse auf dem Tisch und sie bittet mich meinen "esposo" (Ehemann) zu holen. Wir laufen also rüber und Radko sagt " Mensch wo hast Du denn so lange gesteckt. Ich Sage "hast Du was getrunken". Er grinst und sagt, das fünfte Bier aufs Haus konnte ich gerade eben noch verhindern"

Das Abendessen schmeckt köstlich. Ich frage Marleny was wir ihr fürs Essen geben dürfen und sie möchte nur 8.000 Pesos, also umgerechnet 2,50 Euro. Sie fragt uns ob wir am nächsten Morgen zum Frühstück kommen möchten und wir sagen gerne zu denn wir haben sofort gemerkt das diese Familie in sehr bescheidenen Verhältnissen lebt. Marleny und ihr Mann haben insgesamt 6 Kinder. Nur die kleinsten beiden wohnen noch zu hause. Marleny hat eine eindrückliche Schwellung linksseitig am Hals. Ich spreche sie aus Respekt nicht darauf an aber sie erzählt es mir irgendwie einfach so. Bei der Geburt ihres letzten Kindes habe es Komplikationen gegeben. Man habe ein großes Venenaneurysma festgestellt welches ihr auf die Halsschlagader gedrückt habe aber sie hätte kein Geld weitere Untersuchungen oder Therapien zu bezahlen. Ich muss innerlich schlucken. In solchen Situationen wird mir immer wider bewusst in welchem "Luxus" wir deutschen Leben. Niemand muss sich über die medizinische Versorgung Gedanken machen. Für uns ist das alles eine absolute Selbstverständlichkeit, aber dies trifft eben nicht für die ganze Welt zu. Das sollte man sich immer vor Augen halten!

Das Frühstück ist genau so lecker wie das Abendessen denn Marleny weiß was und welche Portionen wir Radler brauchen!! Zum Abschied schenken wir unseren kleinen Amigos noch ein Foto von uns für die Schule und schreiben ein paar Zeilen auf die Rückseite. Wir tauschen Telefonnummern aus den auch in El Bosque schreibt man fleißig auf Whats App. Wir verabschieden uns von allen und sogar der örtliche Pfarrer lässt es sich nicht nehmen noch vorbei zu kommen um ein paar Worte mit uns zu wechseln. Wir radeln ganze 3,7 Kilometer weiter zu den Thermalquellen. Hier schlagen wir für 4 Nächte unser Lager auf. Wir haben den Pool fast ausschließlich für uns alleine. Nur am Wochenende kommen Badegäste aus der Region. Innerhalb der Woche kommt jeden Abend ein junger Mann nach der Arbeit um sich zu waschen. Wir unterhalten uns jedes Mal ein wenig miteinander. Er hat jede Menge Fragen zu Deutschland. Am meisten interessiert ihn was alles kostet....und die Fragerunde dauert...Was kostet das Essen, ein Fahrrad, ein Zelt, ein Bier, eine Kuh, Milch, eine Machete, ein Bulle, ein Kälbchen und ... und ... und. Bei den eher landwirtschaftlich orientierten Fragen müssen wir passen aber insgesamt versuchen wir bei den beliebten Geldfragen immer den Ball flach zu halten. Wie soll man jemandem verständlich machen der am Tag 25.000 Pesos, also 8 Euro verdient, das zum Beispiel alleine unsere beiden Isomatten seinen gesamten Monatslohn veranschlagen.

Die Zeit vergeht wie im Flug. Morgens sitzen wir im warmen Wasser und trinken Kaffee, lesen und schlafen. Gesellschaft leistet uns eine kleine braune Hündin die sagen wir mal nicht besonders hübsch ist aber ihr Charakter  ist zuckersüß. Sie folgt uns auf Schritt und Tritt und bewacht uns Nacht für Nacht. In der zweiten Nacht fühlt sie sich offensichtlich schon als Teil der Familie denn als wir ins Zelt gehen winselt die lauthals und kommt dann kurzerhand unter der Außenplane ins Vorzelt gekrochen wo sie sich zufrieden zusammenrollt. Wir kommen Arg in Versuchung "Liselotte", wie Radko sie getauft hat, mitzunehmen aber der Verstand siegt. Die Hündin ist trächtig, was sollen wir mit den Welpen machen und vor Allem gäbe es jede Menge Probleme an den Grenzen. Wir machen uns Sorgen das sie uns folgt aber die sind umsonst. Als wir unsere Räder am Freitag den Hang hoch schieben ist gerade eine Gruppe Badegäste angekommen und die schmeißen den Grill an. Hunger siegt über Freundschaft (das können wir Radfahrer verstehen)!

near Murillo

It`s Fiesta in Murillo!

colourful houses, Murillo

between Murillo and El Bosque

spot the cyclist :-)

El Bosque

chocolate and cheese

the tiny village El Bosque

our amigos Diego and Geronimo in El Bosque

a 3-day break at a lokal thermal pool

Es geht weiter nach Santa Isabel. Hier genießen wir unsere letzte kühle Nacht denn ab hier werden wir mehr als 2000 Höhemeter verlieren um ins Magdalenatal zu kommen. Wenn wir bis lang eines gelernt haben dann ist es das man das wahre Kolumbien auf den Nebenstraßen erlebt. Einige Kilometer Hauptstraße sind jedoch unumgänglich und so quälen wir uns bei 38°C im Schatten und prallem heißen Gegenwind Richtung Süden als ich plötzlich im Vorbeifahren auf einem Hof ein Zelt und zwei Fahrräder entdecke. Das müssen andere Tourenradler sein! Wir schieben unsere Räder die Einfahrt hoch und richtig. Eine Spanierin und Argentinierin haben hier temporär ihr Lager aufgeschlagen. Wir wollen nur kurz hallo sagen aber Seniora Juana Maria lädt uns sofort zu einem Tinto ein und kurz nachdem wir am Tisch sitzen steht ein Teller mit frittierten Bananen und Spiegeleiern vor uns. Uns ist das ziemlich unangenehm denn eines ist uns sofort klar. Diese Familie lebt am Existenzminimum! Ich bemerke sofort das Juana Maria eine Seele in Person ist aber irgendwas nicht stimmt. Sie ist sehr still und zurückhaltend. Beteiligt sich nicht am Gespräch, verfolgt es aber aufmerksam vom Herd aus. In einer ruhigen Minute kommt sie zu mir und möchte wissen ob sie mir eine medizinische Frage stellen könne. Ich sage gerne. Sie hat ein gynäkologisches Problem. Trotz der Menopause habe sie seit 4 Wochen Blutungen und neuerdings habe sie Schwindel und Kopfschmerzen. Ich sage das sie dringend eine gynäkologischen Untersuchung inklusive Ultraschall benötige und eine  Blutuntersuchung zur Klärung des Ausmaßes der Anämie bräuchte. Sie sagt "Okay" aber ich merke das sie es nicht machen wird. Ich frage ihren Sohn was das koste und er weis es nicht. Die Untersuchung sei vielleicht umsonst, alles weitere sicherlich nicht. Ich komme mir hilflos vor. Ich sage zu Radko "ich hasse solche Situationen. Jetzt sind wir beide zur Uni gegangen und haben das ganze Wissen angehäuft und trotzdem können wir oft nichts machen. Es wäre so als würde jemand zu Dir kommen und Durst haben, Du weißt wie man einen Brunnen baut aber hast kein Werkzeug um es zu machen".

Radko versteht mich und wir beschließen Juana das für uns geringe Geld von wenigen Euros für die Untersuchungen zu schenken. Ich spreche mit ihr, sie beginnt zu weinen und die Argentinierin verspricht mir mit ihr in die Klinik zu fahren. Der Abschied fällt schwer. Nun bekomme ich auch feuchte Augen, Juana drückt uns immer wieder an sich und ich weiß das sie das Geld für die Untersuchungen benutzen wird. Mit Gott sollen wir gehen und sie wird uns nie vergessen. Wir sie sicherlich auch nicht!

back on the road to Santa Isabel

Santa Isabel

between Alvarado and Payande

road to Payande

between Purificacion and Natagaima

Radko, cyclist from Argentina and Senora Juana Maria

Von kleinen Menschen, Gespenstern, Prinzessinen und einem Frosch in der Wüste

Es ist gegen Mittag. Die Sonne steht hoch am Himmel. Es ist heiß und wir kämpfen uns Kilometer um Kilometer auf der holprigen Piste vor in die Tatacoawüste. Meilenweit in beide Richtungen steht nicht ein einziges Haus. Die Landschaft ist hügelig, karg, und hat eine rostbraune Farbe angenommen. Uns tropft der Schweiß vom Gesicht, unsere Köpfe sind mit Tuch und Helm geschützt. Die langen Hosen und Hemden kleben unangenehm am Körper. Ich gucke in den Rückspiegel und sehe das Radko plötzlich aus seiner monotonen Tretroutine erwacht ist und aufgeregt winkt. "Das sind Deutsche, das sind Deutsche" ruft er mir zu und ich begreife erst überhaupt nicht was er meint. Neben uns steht ein "grünes Ungeheuer". Die Sprache ist von einem froschgrünen Unimog aus den Achtzigern mit Nürnberger Kennzeichen.   Die Tür geht auf und Michi und Torben klettern mit einem breiten Grinsen aus der Fahrerkabine. 

Nach einer guten halben Stunde verabschieden wir uns. Torben erklärt uns wo sie die Nacht in der Wüste campen würden und steigt ein mit den Worten" Wenn ihr es bis zu uns schafft, ich habe kaltes Bier im Kühlschrank". Radko bekommt große Augen und noch nie war  bereits um die Mittagszeit so eindeutig geklärt wo unsere Tagesetappe enden würde.

Als wir gegen späten Nachmittag auf dem Campingplatz ankommen hält Torben sein Versprechen. Wir sitzen im Wüstensand und genießen ein kühles Bier als die Tür des "Lasters" bzw. des "Frosches", wie ihr Gefährt liebevoll genannt wird,  aufgeht. Ein kleines braungebranntes Mädchen mit strohblonden Haaren lugt um die Ecke, klettert die Leiter hinunter und schlüpft in ihre blauen Crocs. Auf jedem der Schuhe ist eine mir bis dato noch unbekannte Prinzessin befestigt. Die dreijährige Romy guckt uns schüchtern an und beginnt in Unterhose über den Wüstensand zu tanzen. Im nächsten Augenblick klettert Michi mit dem sechs Monate alten Levi auf dem Arm aus dem Auto. Levi strahlt und glugst uns sofort an. Es vergehen keine 5 Minuten da liegt eine Spieldecke auf dem  Boden, eine Berg Spielzeug wird auf die Decke gekippt und der "kleine Mexikaner" spielt vergnügt vor sich hin. Als Michi, Torben und Romy zu ihrem großen Abenteuer "Panamerikana" aufbrachen war schnell klar das es eine Planänderung gab nämlich in Form von Nachwuchs. Aber anstatt die Reise zu verschieben oder gar abzusagen wurde planmäßig weiter gereist, vor der Geburt in Cancun eine Wohnung gemietet und die Reise zu viert fortgesetzt.

Inzwischen ist es dunkel geworden. Torben und Michi laden uns zu einer Paella ein die herrlich duftend auf dem Benzinkocher vor sich hin köchelt. Wir sitzen im Windschutz des Laster und tauschen Geschichten unserer Reise aus. Romy sitzt in Waschbecken, badet und guckt uns von oben aus dem Fenster zu. Nach einer Weile steht Romy neben mir und fragt mich ob ich ein Gespenst mit ihr suchen wolle. Die Neugier hat offensichtlich gesiegt und ich sage wir bräuchten dafür Licht. Sie streckt mir eine pinkfarbene "Prinzessinnen-Taschenlampe" entgegen und wir machen uns unter dem funkelnden Sternenhimmel auf Gespenster- und Feensuche. Nach einer etwas längeren sehr fachmännischen Diskussion, bei der Romy eindeutig die Expertin ist, einigen wir uns das es für heute Nacht weder böse Gespenster noch andere Gefahren gibt und  spielen eine Runde Verstecken. Viel zu schnell ist ein wirklich schöner Abend vergangen. Am nächsten Morgen klettern wir in den Laster und eines ist sofort klar: Das ist ein richtiges Zuhause in dem man sich sofort wohlfühlt. Romy erzählt uns stolz von ihren Erlebnissen auf der Reise, wie sie Mickey Maus in den USA getroffen habe, wie sie im Meer geschwommen sei, von einem Drachenfestival und tollen Zoobesuchen. Als nächstes gehe es zu den Schneebedeckten Bergen (nach Equador) und natürlich zu den Pinguinen nach Feuerland.

Der Abschied fällt schwer. Wir sagen Danke für einen wundervollen Abend voller faszinierender Geschichten und Spaß. Wir sagen Daumen hoch für eine wahnsinnig nette Familie die  ihren Traum lebt, wo der Wüstenboden zum Kinderzimmer wird, die Welt zum größten Kindergarten und immer nach ihrem Motto: " Home is where you Park it".

road to the Desierto de Tatacoa

Scorpion in La Victoria

welcome to the Tatacoa Desert

we camped one night with Torben, Michi, Romy and Baby Leeven from Nürnberg in the desert (Danke für ein kaltes Bier und andere Leckerein!!!)

second night Camping in the red part of the desert

Adios Tatacoa