dream on two wheels

El Desierto de Atacama - Wüste, Vulcane und endlose Weite

Das erste was uns auffällt sobald wir chilenischen Boden betreten ist  Asphalt. Nach 10 Tagen schwieriger Schotterpiste in Bolivien fühlt sich das ziemlich gut an. Den chilenischen Einreisestempel bekommen wir erst im 47 Km entfernten San Pedro de Atacama. Wir fahren einen letzten Anstieg hoch und dann müssen wir uns für die nächsten 30 Km kaum anstrengen denn wir verlieren mehr als 2000 Höhenmeter auf diesem Abschnitt. In der Oasenstadt San Pedro de Atacama steuern wir einen der vielen Campingplätze an. Es tut gut sich den Staub der letzten Tage abwaschen zu können. Die Kleinstadt wirkt mit ihren unasphaltierten Gassen und hölzernen Häuserfronten ein bisschen wie eine Westernstadt aus vergangenen Zeiten. San Pedro ist ein populärer Ausgangspunkt für Ausflüge in die Lagunenregion Boliviens und das nahegelegene "Tal des Mondes". Nach zwei Tagen wollen auch wir die Atacama Wüste erkunden und radeln weiter. Kurz hinter der Stadtgrenze beginnt sofort die endlose Weite der Wüste....Die Straße führt uns durch das "Tal der Geduld" (Llano de la Paciencia) Auf der schnurgeraden Straße zu radeln fühlt sich an wie "nie ankommen" denn  alles sieht so nah aus ist aber doch so fern!

Zwischen der Bolivianisch-chilenischen Grenze und San Pedro de Atacama, between the bolivian-chilenean Border and San Pedro de Atacama

San Pedro de Atacama

Valle de la Luna

Llano de la paciencia (Ebene der Geduld)

Die sanfte Wüstenlandschaft hat etwas beruhigendes...seit langem müssen wir beim fahren nicht auf den Boden schauen oder gegen heftigen Wind kämpfen und die Kilometer fliegen trotz der 1000 Höhemeter bergauf nur so dahin. Kurz vor Sonnenuntergang finden wir einen geschützten Zeltplatz hinter einer Felswand direkt neben der Straße und erreichen am nächsten Nachmittag die Stadt Calama. In den letzten Tagen mussten wir uns (leider) viele Gedanken zu unserem weiteren Reiseablauf machen denn es ist bereits Mitte Februar. Eigentlich wollten wir zur jetzigen Zeit bereits in Patagonien radeln aber wie es eben manchmal im Leben so ist liegen Vorstellung und Realität weit auseinander. So auch aktuell bei uns. Schon bei der Planung unserer Panamericana Tour war eine DER Routen auf die wir uns am meisten freuten die legändere "Carretera Austral" im Süden Chiles. Eine ca. 1300 Kilometer lange Schotterpiste durch die raue Wildnis Patagoniens. Wenn wir diese noch zu einigermaßen vernünftigen Witterungsbedingungen fahren wollen müssen wir "um planen". Ob wir nach Ankunft in Ushuaia noch einmal ein wenig nach Norden radeln werden um das "verpasste" zu sehen wollen wir uns aktuell offen lassen. Zunächst heißt es für uns jedoch "auf nach Patagonien" und "Carretera Austral wir kommen"!

Atacama Wüste nördlich von Calama, Atacama desert North of Calama

Wir verbringen noch einige herrlich erholsame Tage in Chiles Hauptstadt Santiago. Wir kommen bei der Chilenin Grimme über warm showers unter. Grimme ist eine lustige Mitdreißigerin deren ungewöhnlicher Name eigens von ihren Eltern erfunden wurde. Viel Zeit können wir leider nicht miteinander verbringen denn Grimme fährt über das Wochenende mit ihrem Freund zum Strand. Kurzerhand drückt sie uns die Schlüssel für ihr Apartment in die Hand und sagt "fühlt Euch wie zu hause, bleibt einfach so lange wie ihr wollt". Wir bleiben drei Tage und in einer Wohnung mit all ihrem "Luxus" zu sein ist ungewohnt angenehm bevor wir uns nach Puerto Montt aufmachen, dem Startort der Carretera Austral.

Auf Chiles Carretera Austral (Teil I: Puerto Montt bis Coyhaique)

Die Carretera Austral die mit vollständigem Namen "Carretera Austral Presidente Pinochet" heißt führt als sogenannte "Ruta 7" mit einer Länge von 1350 Kilometern von der Stadt Puerto Montt in das Dorf Villa O`Higgins. Die Carretera Austral ist nicht Bestandteil der Panamericana denn diese verläuft in dieser Höhenregion über Argentinien nach Feuerland und nicht über das unwegsame chilenische Patagonien. Der Bau der Carretera Austral wurde erst im Jahr 1976 begonnen und sollte eines der aufwendigsten chilenischen Bauprojekte des 20. Jahrhunderts werden. Der Bau hat satte 200 Millionen US Dollar verschlungen. Zunächst als reine Schotterpiste angelegt wurde in den letzten Jahren aufwendig mit der Erweiterung und Asphaltierung der teilweise extrem engen, kurvenreichen und schlechten Piste begonnen.

Die Carretera Austral ist bis dato keine "durchgehende" Straße. An einigen Stellen werden wir mit Fähren über Fjorde übersetzten müssen. Von ihrem Endpunkt in Villa O`Higgins gibt es keine weitere Verbindung zum Rest Chiles. Mit dem Auto muss man derzeit umkehren und über den nächst gelegenen nördlichen Pass nach Argentinien übersetzen um nach Feuerland zu gelangen. Für Radfahrer, Reiter und Fußgänger existiert ein abenteuerlicher Grenzübergang über die beiden Seen Lago O`Higgins und Laguna del Desierto direkt ins Fitzroy Gebiet nach Argentinien.

Start der Carretera Austral in Puerto Montt, Start of the Carretera Austral in Puerto Montt

Die Carretera Austral ist vor allem ein beliebtes Reiseziel für Radfahrer, Motorradfahrer sowie "Overlander" (in Reisemobilen) aus aller Welt. Uns begegnen täglich mehr Radreisende als wir in manchen Ländern insgesamt getroffen haben und auch Auto-Kennzeichen aus deutschsprechenden EU-Ländern sind an der Tagesordnung.  

Wir beginnen unsere Reise bei "Kilometer 0" in Puerto Montt. Wir haben für mehrere Tage Vorräte dabei. Umso mehr freuen wir uns über die unproblematische Wasserversorgung auf der gesamten Route. Mehrfach täglich fahren wir an glasklaren Bächen vorbei aus denen wir das Wasser wahrscheinlich "Pur" trinken könnten, der Gewohnheit halber "jagen" wir es aber noch einmal schnell durch unseren Wasserfilter.

15 Kilometer hinter Puerto Montt fällt uns ein....wir haben Benzin vergessen...wird schon nicht so schlimm sein denke ich und erkundige mich nach der nächsten Tankstelle. Puerto Montt lautet die Antwort und Richtung Süden für die nächsten Tage "NICHTS".

Es hilft leider nichts, wir haben nur noch für 1-2 Tage Benzin in der Kocherflasche wir müssen also zurück. Am Ende entscheiden wir uns für eine Zwischenlösung. Wir zelten im nächsten Dorf und während ich am nächsten Morgen unser Zelt abbaue und unsere Sachen packe radelt Radko ohne Gepäck zurück um zu tanken.

Zwischen Puerto Montt und der nächsten größeren Stadt Chaiten warten drei Fährpassagen auf uns. Die erste kurze Überfahrt von ca. 20 Minuten verbringen wir wolkenverhangen bei Nieselregen. Kurz hinter dem Fähranleger verlassen wir für einige Kilometer die Ruta 7 um auf einer kleinen Schotterpiste entlang der Küste zu fahren.

 

Die Küstenlandschaft ist geprägt durch winzige Fischerdörfer, weiten Buchten und nebelverhangene grünen Wälder. Die Menschen hier begegnen uns außergewöhnlich gastfreundlich. Die erste Nacht verbringen wir auf dem winzigen Campingplatz eines älteren Ehepaars. Es regnet, alles ist klamm und uns ist kalt. Ich rechne mit allem aber nicht mit einer heißen Dusche aber da täusche ich mich gewaltig. Nach kurzer Zeit ist der Holz Feuer betriebene Wasserbeuler aufgeheizt und wir genießen eine superb heiße Dusche.

Auf dieser Route können wir das ursprüngliche und für uns teils beschwerlich wirkende Leben der hiesigen Menschen kennenlernen. Nahezu alle Familien leben vom Fischfang. An dem Gartenzaun eines kleinen Holzhauses hängt ein kleine Schild "Hay Pan" (es gibt Brot). Wir schieben die Räder in den Garten und werden kurz darauf von der freundlichen "Bäckerin" begrüßt. In ihrer winzigen Backstube steht eine neue Backmaschine. Sie habe erst kürzlich mit dem backen größere Mengen Brötchen begonnen den in der Regel backe jede Familie ihre eigenen. Sie möchte in Zukunft aber etwas Zubrot verdienen und an die kleinen Dorfgeschäfte auf Bestellung Brot liefern. Sie lädt uns spontan zu einer Tasse Kaffee ein. Brot und selbstgemachte Marmelade stehen neben unseren dampfenden Kaffees. Im Zentrum der großen Wohnküche steht ein Holzofen über dem die frisch gewaschene Wäsche trocknet. Sie erzählt uns das ihr Mann, wie die meisten anderen Familienväter auch, Fischer sei. Der Fang werde täglich von einer Firma abgeholt und nach Spanien verkauft. Pro Kilogramm "Merluza" gäbe es ca. 1200 chilenische Pesos. Wie auch in vielen anderen ländlichen Regionen gäbe es außerhalb der Fischerei und Landwirtschaft kaum andere Arbeit. Aus diesem Grund würden viele der jungen Leute die Region verlassen müssen.

Local Fishingboat

Am zweiten Tag entlang der Küste erreichen wir das Dorf Pichicolo. Wir dürfen unser Zelt im Garten einer Familie aufstellen. Im Dorf findet gegenüber von unserem Nachtlager gerade eine "Fiesta costumbrista" statt, ein Fest mit Speisen und Musik der Region. Wir gehen auch mal gucken und es ist kaum etwas los. Unter den etwas provisorisch aufgespannten Plastikplanen gibt es drei Essensstände. Wir entscheiden uns für Empanadas (frittierte Teigtaschen) die mit frischem Lachs und Käse gefüllt werden. Mhhhhh!!!!!

In einem kleinen Dorf entlang der Küste bekommen wir Lachs-Käse-Empanadas zubereitet, in a small village along the coast a women is preparing Salmon-Cheese-Empanadas for us

In Hornopiren müssen wir die Tickets für die nächsten zwei Fährfahrten kaufen. Wir haben Glück und erwischen noch Tickets für die Mittagsfähre. Zwischen dem Ankunftsort der ersten Fähre und dem Abfahrtsort der zweiten Fähre liegen 10 Kilometer Schotterpiste und es bleiben genau 30 Minuten Fahrzeit. Das wird knapp asber zunächst genießen wir bei herrlichem Sonnenschein die drei stündige Fahrt durch die wunderschöne Fjordlandschaft.

An der Fähre zwischen/ At the Ferry between  Hornopiren und Leptepu

Blick während der Fährfahrt, View during the Ferry ride

Nachdem wir mit der ersten Fähre angelegt haben treten wir volle Kanne rein und kommen nach 40 Minuten hügliger Schotterpiste völlig verschwitzt am Nächsten Abfahrtspunkt an. Wir sehen die Fähre gerade noch ablegen. Was man uns im Ticketbüro allerdings nicht verraten hat ist das die zweite Fähre viel häufiger fährt als die erste...ist also gar kein Problem. Wir sitzen mit den anderen Radfahrern entspannt auf der Kaimauer und warten auf die nächste Fähre

Warten auf die zweite Fähre nach Caleta Gonzales, waiting for the second Ferry ride to Caleta Gonzales

Mit Ankunft auf der Zweiten Fähre betreten wir das Territorium des wunderschönen "Pumalin Parks", ein Naturschutzprojekt des 2015 verstorbenen Douglas Tompkins, dem ehemaligen Chef der Firma "The North Face". Ganze zwei Tage fahren wir teils sehr gute Schotterpiste bei angenehmen 25 Grad und Sonnenschein durch die grüne Berglandschaft des Naturreservats. Die erste Nacht schaffen wir es nicht einen der Campingplätze zu erreichen und campieren mit weiteren Radfahrern auf einer Art Parkplatz am Straßenrand. Seitdem wir auf der Carretera Austral fahren haben wir wirklich jeden Abend in der Nähe eines  Flusses gezeltet dessen Rauschen einen sanft in den Schlaf wiegt. Einfach wunderbar!

Seit Peru haben wir zweifach die Uhren um eine Stunde vor stellen müssen aber irgendwie sind wir einfach bei der "peruanischen Zeit" geblieben. Da es hier im Süden Chile deutlich länger hell ist können wir problemlos bis 19:00 oder 20:00 Radfahren  und da wir in Peru meist gegen 6:00 morgens aufgestanden sind stehen wir hier eben erst um 8:00 Uhr auf.

Am nächsten Morgen liegt der Wald im Pumalin Park in mystisch wirkenden Nebelschwaden. Die Luft ist kühl und klar. In einem stetigen Auf und Ab fahren wir durch eine grandiose Naturkulisse. Reißende Flüsse, Farne, tropisch wirkende Vegetation im Wechsel mit Seen und Bergen versüßen uns die manchmal knackigen Anstiege. An einem dieser kommt uns ein Auto mit chilenischem Kennzeichen entgegen. Die elektrischen Fenster gehen runter. Man knips lächelnd Fotos mit dem Handy von uns und reicht uns wortlos zwei große Stücke Kuchen zur Stärkung. Gracias!!! 

Noch treffen wir auf viele chilenische Familien im Park denn die letzte Woche der Schulferien ist angebrochen und die Chilenen lieben ihre Carretera Austral genau so wie wir!

Wir verlassen nur ungerne diese wunderschöne Landschaft aber es ist trostreich zu wissen dass noch weitere landschaftliche Höhepunkte entlang der Route zu entdecken gibt. Hinter Pumalin erreichen wir nach 5 Tagen die erste größere Stadt Chaiten. Hier können wir Vorräte nachkaufen und eben andere (dringend) notwendige Dinge erledigen...z.B. Wäsche waschen. Die Brühe die aus den verstaubten Klamotten läuft fällt bestimmt nicht mehr unter die Kategorie "ökologisch abbaubar".

Chaiten welches im Jahr 2008 durch einen  Schlammstrom des gleichnamigen Vulkans starke Schäden davontrug sollte eigentlich 10 Kilometer entfernt neu errichtet werden wurde aber inzwischen am selbigen Ort wieder aufgebaut. Die Stadt und deren ca. 700 Einwohner leben hauptsächlich vom Tourismus und Fischfang. Trotz der Küstenlage wirkt die Stadt auf uns ein wenig trostlos. Zwischen einfachen Holzhütten gibt es die eine oder andere recht luxoriös wirkende "Cabaña" die man für durchaus dreistellige Europreise mieten kann. Ansonsten gibt es einen relativ gut sortierten Supermarkt, immerhin eine Bankfiliale und mehrere etwas heruntergekommende Campingplätze. Alle bieten dennoch immerhin theoretisch heiße Duschen, eine "Küche" und WLAN an. Das ganze kostet 5000 Pesos (ca. 7,50 Euro) pro Person. Vielleicht haben wir einfach nur Pech aber als wir duschen wollen gibt die Therme Intervall mäßig ihre Funktion auf und das WLAN ist haltlos überlastet aber die zwei Platten des Herdes in der "Küche" die ein zugiger Holzschuppen ist funktionieren wirklich einwandfrei. Es hält uns nicht wirklich etwas in Chaiten und wir radeln bereits am nächsten Morgen weiter Richtung Puyuapi. Bis dorthin rechnen wir mit ungefähr 4 Radtagen haben aber Nahrungsmittel für notfalls 5-6 Tagen dabei.

Wenige Kilometer hinter Chaiten halten wir an einer kleinen Werkstadt. Hier wollen wir Radkos gebrochenen Hinterradgepäckträger schweißen lassen. Gegenüber von der "Ferreteria" steht ein kleinen Campingklapptisch auf welchem einige Flaschen Wasser, Energiegetränke und  Bananen liegen. Auf der Straße ist weit und breit niemand zu sehen bis auf einen leicht untersetzten Chilenen der fleißig in die Ferne starrt. Es ist der Besitzer der Werkstatt, und am heutigen Tage eifriger Helfer des Chaiten Marathons. Aha, aber wo bleiben denn die Läufer frage ich ihn. Er guckt gespannt in die Ferne und sagt es müsste eigentlich gleich wieder jemand kommen. Die "kurzen Distanzen" wären schon "durch" und er warte nur noch auf die 8 Läufer (von 53 Teilnehmern) die die gesamte Distanz laufen würden. Der Gepäckträger sei kein Problem, könne er sofort schweißen aber ich müsse dann mal kurz für ihn als Marathonhelfer übernehmen. Gar kein Problem, sieht Momentan ja nicht nach einem stressigen Job aus. In der Tat kommt in den 15 Minuten die er zum schweißen braucht keiner der Läufer vorbei und irgendwie habe ich das Gefühl das er sich darüber insgeheim freut denn er kennt jeden der Läufer beim Namen und geht komplett in seiner Aufgabe auf! Daumen hoch von uns, für den nettesten Marathonhelfer Patagoniens und natürlich fürs Reparieren unseres Gepäckträgers!!!

wir treffen jeden Tag Radfahrer auf der Carretera Austral, we meet cyclists every day on the Carretera Austral

Bei der Weiterfahrt treffen wir auf Anna und Faye aus England. Sie radeln derzeit von La Paz nach Ushuaia. Die nächsten 40 Kilometer sind gefühlt im Flug vorbei denn die Geschichten der beiden sind unglaublich fesselnd. Ich bin im Besonderen von den Erzählungen  der sympathisch drahtigen blondgelockten Anna fasziniert denn vor gut 18 Monaten beendete sie eine außergewöhnliche Reise. Anna ist in 6 Monaten von der Nordspitze Neuseelands bis in den äußersten Süden gerannt. Im Schnitt 35 Km pro Tag, dabei trug sie eine Rucksack gefüllt mit Wasser und Vorräte für mehrere Tage denn der Pfad auf dem sie joggte war oftmals weit entfernt von der Zivilisation. Auf der aktuellen Reise schreibt sie abends trotz etlicher geradelter Tageskilometern fleißig an ihrem Buch welches sie im Sommer heraus geben möchte. Wir werden es ganz bestimmt lesen!

Anna aus England die mit einer Freundin von La Paz nach Ushuaia radelt

Am späten Nachmittag verabschieden wir uns von den beiden Engländerinnen den sie wollen noch gute 30 Kilometer weiter radeln. Der erste Teil dieser 30 Kilometer ist ein Anstieg von 700 Höhenmetern und wenn ich ehrlich bin weiß ich das ich diesen gegen Ende des Tages nach mehr als 60 Kilometern nicht mehr radeln möchte. Anna und Faye sind ein wenig unter Druck vorran zu kommen denn sie haben bereits einen Heimflug gebucht dessen Umbuchung mehr als 500 Dollar kosten würde. Das größte Problem ist allerdings Faye`s an 13 Stellen gebrochene Hinterradfelge für die es erst im noch mehrere hundert Kilometer entfernten Coyhaique Ersatz gibt. Als wir gemeinsam radeln bricht die Felge an Stelle Nummer 14 inklusive einer Speiche. Faye bleibt erstaunlich gelassen, fixiert die gebrochene Speiche an der Nachbarspeiche und überklebt die offene Stelle an der Felge kurzerhand mit schwarzem Klebeband. Okay, irgendwie verständlich, die Prozedur hat sie ja nunmehr schon 13 Mal zuvor hinter sich gebracht und eine andere Lösung gibt es auf dieser einsamen Route eh nicht. Sollte es gar nicht mehr gehen würden sie im Notfall eben einen Pick up truck anhalten und sich mitnehmen lassen.

Wir verbringen die Nacht auf einem gebührenfreien Campingplatz an einem reißenden Gletscherfluss. Am nächsten Morgen kündigt sich allmählich ein Wetterwechsel an. Als wir den Anstieg hochradeln haben wir Glück und können durch die neblige Wolkenschicht die angekündigte partielle Sonnenfinsternis beobachten. Für einige Minuten wird es ungewohnt düster und kühl aber nicht komplett dunkel und durch die dünne Wolkenschicht und unsere Sonnenbrillen können wir das Naturschauspiel gut sehen. 

Partielle Sonnenfinsternis, partial solar eclipse

Die Carretera Austral ist die Route auf der wir mit Abstand die meisten Radfahrer treffen. Manchmal treffen wir mehr als 15 Radfahrer pro Tag und für uns ist es nach wie vor ungewohnt das viele gar nicht anhalten denn in allen anderen Ländern haben wir so wenig Radfahrer getroffen das man bei jedem den man trifft anhält und sich austauscht. 

Als wir gerade unsere nachmittägliche "Dusche" in einem Bach beendet haben hält ein argentinisches Paar neben uns. Sie wollen so schnell wie möglich in das noch 250 Kilometer entfernte Coyhaique radeln denn laut Wettervorhersage soll es übermorgen anfangen zu regnen. Ach ja denken wir gut zu wissen aber eigentlich sieht es momentan wieder ziemlich sonnig aus und wir radeln unbesorgt weiter.

Heute Abend haben wir irgendwie Probleme einen Wildcampingplatz zu finden denn ganz Patagonien scheint von einem Zaun umgeben zu sein. Insgesamt wird uns immer wieder von den Einheimischen bestätigt das wir unbesorgt auch "sichtbar" wildzelten können und obwohl wir das eigentlich nicht mögen bleibt uns manchmal gar nichts anderes übrig. Es beginnt bereits zu dämmern als wir an eine große orange Brücke gelangen. Wir beginnen über die Brücke zu rollen in der Hoffnung einen Platz zu spotten und in der Tat sehen wir plötzlich rechts unterhalb der Brücke mehrere Zelte aufleuchten. Hier campieren bereits 4 andere Tourenfahrer auf dem Weg nach Norden und wir gesellen uns natürlich erleichtert dazu.

Wir zelten mit 4 anderen Radfahrern neben der Brücke, we camp with four other cyclists next to this bridge

Unsere Weiterreise führt uns in einen kleinen Zipfel des Nationalpark "Parque National Queulat". Wir finden einen wunderschönen Campingplatz an einem glasklaren See und da es in der Nacht heftig anfängt zu regnen legen wir einen spontanen Pausentag ein.

Camping am Lago Risopatron

wir können überall sauberes frisches Wasser am Wegesrand schöpfen, there ist clean fresh water everywhere along the road

Als wir unser Zelt zusammen packen regnet es nach wie vor leicht aber wir haben nicht genug Vorräte dabei um noch einen weiteren Tag abzuwarten und schwingen uns letztlich im Regen auf die Räder.

Ich soll mich heute mehrfach an den Rat von den Österreichern Niki und Philip erinnern "denkt über Gummistiefel nach denn wenn es regnet dann schüttet es für stunden". Nach kurzer Zeit wird der Regen in der Tag ziemlich heftig und meine Regenjacken Odyssee setzt sich am heutigen Tag fort. Nachdem meine in den USA gekauft Jacke bis lang gute Dienste geleistet hat gibt sie heute....genau in diesem Dauerregen komplett auf. Ich bin nach kürzester Zeit bis auf die Unterwäsche nass. Das ist alles anfänglich erträglich da wir für ca. 15 Kilometer in Serpentinen einen kleinen Pass hochfahren und dabei ordentlich ins Schwitzen kommen. Kurz hinter dem Gipfel steht eine kleine Hütte aus der Tickets für den nahe gelegenen "Zauberwald-Pfad" verkauft werden. Ich erkundige mich nach dem nächsten Camping denn wir brauchen dringend eine warme Dusche oder ein Unterstand aber der nächste Camping liegt 30 Kilometer entfernt am Ende einer Stichstraße von 25 Kilometern Länge die wir nicht hin und zurück fahren wollen. Wir stehen also im strömenden Regen und nach kürzester Zeit sind wir komplett durchgefroren. Wir stopfen uns ein trockenes Brötchen rein in der Hoffnung irgendwie wieder warm zu werden aber es hilft nicht. Wir radeln weiter, nun aber bergab und das bringt gleich zwei Probleme mit sich. Erstens das uns immer kälter wird und zweitens meine Bremsbacken die genau in diesem Moment "runter" sind. Radko braucht fürs nachstellen 10 mal so lange wie normaler Weise denn er kann seine Hände nicht mehr spüren und ich klappere inzwischen mit den Zähnen. Eines steht klar, so nass und durchgefroren können wir keine mehrere Kilometer lange Abfahrt machen, das wäre wenn man drüber nachdenkt medizinisch ein hohes Risiko das wir uns eine heftige Unterkühlung zuziehen und ein Feuer, eine Unterkunft oder eine andere Wärmequelle sind in den nächsten 30 Kilometern nicht zu erwarten. Zitternd rollen wir langsam bergab um uns auf die Suche nach einem Wildcampingplatz zu machen und der lässt zum Glück nicht lange auf sich Warten denn nach 3 Serpentinen sehen wir einen alten Abschnitt der Schotterpiste wo wir hinter der Kurve Sicht Geschütz das Zelt aufstellen können. Bei unserem Zelt kann man zum Glück das Innenzelt problemlos bei aufgestelltem Gesamtzelt ausknöpfen und das haben wir auch am morgen gemacht da das Außenzelt pitschnass war. Wir stellen also erstmal nur das Außenzelt auf und kriechen bibbernd  hinein um dem eiskalten Wind zu entgehen. Ich wechsle so schnell wie möglich meine komplette Garnitur und Radko, dessen Sachen nahezu trocken geblieben sind, geht nochmals raus in den Regen um uns eine heiße Nudelsuppe zu kochen. Nachdem wir beide zumindest die Hände wieder spüren können knöpfen wir das Innenzelt ein und machen es uns in unseren Daunenschlafsäcken gemütlich.

erste kurze Regenpause nach 8 h Dauerregen, wir entscheiden uns nach bereits nach 20 Tageskilometern unser Zelt aufzustellen, the rain finally stops after 8 h of pouring rain, we decided to put up the tent after only 20 Km of cycling

Es schüttet die gesamte Nacht weiter aber am nächsten Morgen bahnen sich die ersten Regenpausen an. Wir beeilen uns beim Zusammenpacken und radeln den Pass im leichten Sprühregen herunter. Ich hoffe auf einen Wetterwechsel denn meine Kleidung vom Vortag ist klatschnass und ich habe mich nicht überwinden können in die nassen Sachen zu steigen. Eine zweite nasse Garnitur wäre theoretisch machbar aber dann würde ich nur noch eine letzte trockene Schicht haben und die benötigt man zwingend für die Nacht...wir müssen also so schnell wie möglich in dem zwei Tage entfernten Ort Coihayque ankommen und geben Gas...Am späten Nachmittag kommen uns zwei Radfahrer entgegen die sofort winken und stoppen als sie uns sehen. Es sind Marie und Kenneth aus Dänemark. Sie haben vor wenigen Wochen ihre Panamericana-Reise am südlichsten Punkt, in Ushuaia, begonnen und wollen bis nach Alaska. Sie haben viele Fragen an uns und notieren sich wissbegierig unsere Empfehlungen und Tipps für die Reise nach Norden. Ich fühle mich zurück versetzt an den Moment als wir in Alaska, nach nur wenigen Radtagen, dem polnischen Paar Adela und Chris begegneten die  gerade von Ushuaia hochgeradelt waren. Ich erinnere mich wie wir staunend ihren Geschichten gelauscht haben. Die Begegnung mit Marie und Kenneth macht uns bewusst wie Nahe wir unserem Ziel Feuerland im Grunde schon sind. Es sind gemischte Gefühle die aufkommen. Auf der einen Seite eine Art Freude auf das "Ziel" der Panamericana gemischt mit ein wenig Wehmut das wir dann endgültig diesen Teil der Radreise beendet haben. Auf der anderen Seite aber auch Vorfreude und Spannung auf das Weitere was uns auf einem neuen Kontinent auf unseren treuen Rädern erwarten mag...

Wir radeln bis zum Sonnenuntergang weiter und zelten unterhalb der Piste neben einem Zaun.  Am nächsten Nachmittag erreichen wir den Ort Coihayque und damit auch die Österreicher Niki und Philip mit denen wir bereits in Peru unterwegs waren. Wir haben uns hier verabredet um nochmals ein Stück des Weges zu teilen und die Freude ist riesig als wir uns nach 4 Monaten wieder sehen.

Wir treffen auf Kenneth und Marie aus Dänemark die auf dem Weg nach Alaska sind, we meet Kenneth and Marie from Denmark on their way to Alaska

manchmal ist es schwer einen Stelle zum Zelten zu finden denn nahezu ganz Patagonien scheint "eingezäunt" zu sein, sometimes it`s hard to find a Camping spot because there seem to be  a lot of fences in Patagonia

on the Carretera Austral 20 Km North of Coyhaique