An der Grenze zwischen Griechenland und Albanien verlassen wir die EU und betreten ziemlich neugierig unser erstes "Balkanland". Schon kurz hinter der Grenze ist vollkommen klar, der Albaner ist gut drauf, man hupt, winkt und ruft uns zu. das macht wie immer gute Laune beim Radfahren. Eine weitere Besonderheit fällt uns ebenso schnell auf: in Albanien fährt man(n) Mercedes Benz und wir bekommen große Augen als wir in den kommenden Tagen die Massen an Mercedes sehen. Dabei gibt es jede Menge ältere Baujahre. Meist erscheint es uns als gäbe es einen Zusammenhang zwischen dem Baujahr des Autos und seines Fahrers. Die "alten Schätze" sind gut gepflegt, poliert und poltern unermüdlich über die löchrigen Landstraßen. Diese sollen angeblich auch der Grund sein warum es in Albanien so viele Mercedes gibt. Alle anderen Automarken hätten anfänglich der noch schlechteren Straßenqualität wohl nicht Stand gehalten und so schwört der Albaner eben bis heute auf seinen Benz.
Nur noch mehr in der Anzahl als besagte Autos gibt es Autowaschanlagen und Cafès. Egal zu welcher Tageszeit. Beide besagten Orte sind voll in betrieb. Es wird gewaschen und geschrubbt bis der Lack wieder so glänzt das man besser eine Sonnenbrille aufsetzt. Sein Besitzer schlürft derzeit einen "Türkischen Kaffee" und dann kann es weiter gehen. In den Cafès sitzen zumindest in den nicht touristischen Gegenden zu 100% Männer und irgendwie auch zu jeder Tageszeit...
Leider ziehen schon bald Gewitterwolken auf. Der Wetterbericht kündigt ein mächtiges Tiefdruckgebiet für die nächsten drei Tage an. Wir können uns abends gerade noch rechtzeitig in ein Hotel in einem kleinen Dorf retten. Wir sind die einzigen Gäste. Zwei Tage und zwei Nächte regnet es ununterbrochen. Wir haben zum Glück die Taschen mit Essen voll und müssen so das Zimmer gar nicht verlassen. Von dem verglasten Balkon haben wir einen spektakulären Ausblick auf die Berge am Horizont und...auf den Regen. An Zelten wäre nicht zu denken gewesen. Vor unseren Augen schwillt bei den Dauerregen der nahegelegene Fluss bedrohlich an und beginnt über die Ufer zu treten. Wir wären egal wo so ziemlich sicher mit unserem Zelt weggeschwommen!
Aber auch nach dem größten Sturm kommt eben wieder Sonne und die nutzen wir um uns an Albaniens schöner Küste weiter Richtung Norden vorzuarbeiten. Ziel ist der "Llogara Pass", eine beliebte Panoramastraße die tolle Ausblicke bieten soll. Albanien empfinden wir insgesamt als recht "radfreundlich". Der Autoverkehr hält sich vor allem im Süden sehr in Grenzen. Je weiter wir Richtung Hauptstadt Tirana kommen nimmt allerdings der Verkehr zu so das man am besten auf kleine Landstraßen ausweicht.
Albanien begeistert uns vor allem wenn wir durch die ländliche Gebiete radeln. Von anderen Radfahrern lesen wir begeisterte berichte über die unberührte und wunderschöne Bergwelt Albaniens. Wir sind kurz davor in die Berge "abzubiegen" aber das Wetter ist jetzt noch sehr unstabil und wir wollen kein Risiko eingehen.
Albanische Küstenstädte kommen uns ein wenig merkwürdig vor. Ein Hochhaus neben dem anderen wird hochgezogen. Die meisten sind unbewohnt. Wenn man auf solch eine Stadt zufährt schaut es aus als käme man gleich nach New York. Je näher man kommt um so mehr weicht diese Illusion. Hinter der Hochhausfront beginnt hundert Meter weiter dahinter wieder das "normale" Albanien. Bauernhäuser, Hunde, Gärten und Ackerland....
Albanien kommt uns im Gegensatz zu Griechenland dichter besiedelt vor. Wildzelten fällt uns hier schwer denn wir wollen bei unserem Prinzip bleiben "nur wildzelten wenn wir nicht gesehen werden". Von dieser Regel sind wir mit wenigen Ausnahmen in Patagonien, Peru und Bolivien, wo wir in extrem abgelegenen Regionen unterwegs waren, nicht abgewichen. Ist aber kein Problem denn die Albaner sind ein hilfsbereites und gastfreundliches Volk. Wir dürfen mehrfach auf den Wiesen hinter Hotelanlagen unser Zelt aufbauen und Campingplätze gibt es im Übrigen auch sehr schöne in Albanien!
Um die Hauptstadt Tirana zu umfahren müssen wir für 15 Kilometer auf der Autobahn radeln. Das Hinweisschild sagt "Pferdekarren, Kutschen und Fahrräder verboten" aber damit nimmt man es hier nicht sehr genau. Fahrräder, Fußgänger, der kürzeste Weg ist nun einmal der Radstreifen der Autobahn und die Polizei die uns mehrfach überholt hat offensichtlich anderes zu tun als ein paar Reiseradler zu stoppen :-)
Die 15 Kilometer inclusive mega Rückenwind nutzen wir für eine Studie. Diese ist selbstverständlich nicht zu 100 % repräsentativ aber macht Spaß. Wir merken uns die an uns vorbeiflitzenden Automodelle. Die Reihenfolge ist wie folgt: Mercedes Benz (weinrot alt), VW Polo, Mercedes Benz 90iger Jahre, Mercedes A Klasse neu, Ford Fiesta, Mercedes Sprinter, Mercedes Benz Limousine 80iger Jahre.....wir kommen zum Teil aus dem Staunen nicht heraus was für gepflegte Oldtimer in Albanien über die Pisten düsen. Bald dreht sich vielleicht sogar noch das Rad und die "Oldtimer werden nach Deutschland zurück gekauft nachdem sie vor ein paar Jahren als "Umweltverpesster" und "Dreckschleudern" aus den Umweltzonen verbannt und nach Albanien verkauft wurden!
Einen letzten Regentag sitzen wir noch einmal nur wenige Kilometer vor der Grenze nach Montenegro auf einem Campingplatz mit gleich vier weiteren Radreisenden aus. Einem französischen Paar die in Istanbul gestartet sind auf dem Weg nach Frankreich und einem spanischen Paar Richtung Osten mit dem Ziel 5 Jahre Lang um die Welt zu radeln. Es ist eine schöne Begegnung. Wir kurz vor dem Ziel unserer Radweltreise auf dem Weg nach Hause und Blanca und Oscar in den Anfängen ihrer Radweltreise auf dem Weg in das Unbekannte! Zwei Träume mit dem gleichen Ziel: Menschen und Kulturen wertungsfrei und ohne Vorurteile zu begegnen, vor bestehende Meinungen und Bilder aus Berichten und Presse für einen selbst "gerade zu rücken" und diese fast immer positiven Erlebnisse weiter zu erzählen. Freundschaften schließen die "grenzenlos" sind, gemeinsame Erinnerungen und Momente mit "fremden" Menschen teilen die unsere Reisen beeinflussen und zu dem werden lassen was sie in unseren Erinnerungen bleiben....
Aus allen Begegnungen mit anderen Reisenden konnten wir bis lang immer das gleiche Ergebnis des Erlebten ziehen: Der Großteil der Menschen auf dieser Welt ist "gut". In vielen Situationen mussten wir uns leider dabei ertappen viel zu argwöhnisch zu sein wenn uns jemand etwas Gutes tun wollte. Menschen teilen gerne das was sie haben. Ihr Haus, Essen, Trinken, Erlebnisse und Freude. Etwas für das in der Regel niemals eine Gegenleistung erwartet wird außer die gemeinsamen Stunden in schöner Erinnerung zu behalten (und natürlich Erinnerungsfotos auf Whatsapp und Facebook :-)). Wir haben uns oft auf der Reise gefragt was Menschen dazu veranlasst fremden Menschen etwas Gutes zu tun. Eine Antwort , oder vielleicht sogar DIE Antwort auf diese Frage hat uns eine unserer Warm shower Gastgeberinnen in Kanada gesagt: " Es macht mich einfach glücklich andere Menschen glücklich zu sehen"!